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Apokalypse auf Cythera

Apokalypse auf Cythera

Titel: Apokalypse auf Cythera Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Kneifel
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Tage bleiben, Adagia. Dann muß ich wieder zurück zu meinem Meeresgrund. Aber ich kann zurückkommen, wenn ich fertig bin. Und ...«
    »Ja?« fragte sie atemlos.
    »... es kann für dich hart werden, wenn ich zurückkomme.«
    »Das nehme ich in Kauf. Stapen. Dein Wort?«
    Er lächelte und streichelte ihre Schultern.
    »Sofern das Wort eines Menschen Ewigkeitswert haben kann – ja, mein Wort.«
    Ihre Augen waren keine Handbreit voneinander entfernt. Sie sahen sich an. Stapen versank in einem Strudel einander widerstrebenden Regungen. Er stemmte sich mit Gewalt gegen die Faszination dieser Minute und gewann. Er befreite sich aus dem rasenden Wirbel seiner eigenen Gedanken und sagte:
    »Ich habe gesagt, was zu sagen war. Wir werden nicht mehr darüber sprechen, Adagia.«
    »Schon gut!« sagte sie und lächelte. Sie küßte ihn auf die Nasenspitze, als das Signal der Küche ertönte. Wieder war es ein Vogelruf, ein anderer als das Türsignal. Plötzlich schien sich für Stapen eine neue Tür zu öffnen: er verstand jetzt die Sehnsucht der Menschen von Cythera Minor. Ein synthetischer Vogelschrei war für sie die Bestätigung, daß sie den Kampf gegen den Nachfolgetod der Apokalypse zu gewinnen im Begriff waren. Wenige Vögel dürften die Katastrophe überstanden haben. Daher auch die vielen Jachten und die Bucht am Meer; er zweifelte nicht daran, daß bei aller mit Selbstverständnis getragenen Ruhe und Gemessenheit in ihren Herzen die Sehnsucht kleiner Kinder wohnte, über eine blühende Wiese laufen zu können.
    Es würde viele solcher Buchten geben.
    Und viele Wälder auf den Dächern der Häuser.
    Und viele Vogelrufe von winzigen Bandkassetten. Er blickte dem Mädchen nach, als sie in die Küche ging. Er sah Adagia jetzt in einem völlig anderen Licht. Sie erschien ihm auf andere Weise ebenso begehrenswert wie Amarylis. Mit Amaryl hatte er Hoffnungslosigkeit, Armut und Aussichtslosigkeit geteilt. Mit Adagia teilte er die Sehnsucht eines kränkelnden Gefühls inmitten teuer Stoffe und Draperien.
    Ich glaube, ich sollte mich hemmungslos besaufen, dachte er. Meine Assoziationsfähigkeit und die Transparenz meiner Gedanken und Empfindungen nehmen unter dem Einfluß von alkoholischem Streß erstaunlich zu.
    Er tröstete sich mit einem Becher heißen, starken Kaffees, in den Adagia Alkohol hineinschüttete.
    Der Geruch des Getränkes stieg in seine Nase. Er dachte wieder an die Maximen seiner Mission.
    »Was tun wir morgen?« fragte er leichthin.
    Adagia lehnte gegen seine Schulter, hielt den heißen Becher in den Handflächen und erwiderte:
    »Was willst du, daß wir tun?«
    »Erstens«, zählte er auf, »schlafen wir ganz lange. Zweitens frühstücken wir mit Hingabe. Drittens werde ich versuchen, etwas von deiner Arbeit zu lernen. Ich werde dir den ganzen Tag über eine deiner reizenden Schultern sehen.«
    »Einverstanden«, sagte das Mädchen und faßte ihr Haar im Nacken zusammen. »Aber warum gerade das? Warum nicht ans Meer?«
    Er stöhnte auf.
    »Für die nächsten Tage will ich an Salzwasser, Dünung, Brandung und Tang nicht zu denken. Verschone mich mit dem Meer! Und außerdem scheinst du zu vergessen, daß ich ein ausgesprochen sinnlicher Mann bin. Wenigstens in deiner Gegenwart.«
    »Wie könnte ich das vergessen haben!« kicherte sie.
    Als sie schlief, versteckte Stapen alle Gegenstände, die auf seine wahre Identität hindeuten konnten, an verschiedenen Stellen. Die Ausweise von Konna Pander schob er unter die Zwischensohle der Schuhe, die Karte verbarg er im Schulterfutter der Jacke, die Brieftasche vernichtete er im Abfallkonverter. Das Messer ließ er offen liegen, die Waffe nahm er auseinander und schob sie in die Innentasche seiner kleinen Handtasche.
    Als er zurückkam und das Mädchen schlafend liegen sah, verfluchte er sich und die Leute von Baudelaire. Er war ein Narr, einen solchen Auftrag anzunehmen und sich auch noch emotionellen Bindungen hinzugeben.
    Als er erwachte, war es später Vormittag.
    Hausmeister und Historiker, hatte sein Vater betont, sind stets Philosophen. Je nach Temperament fand man unter ihnen Stoiker, Pessimisten oder Optimisten. Adagia Rouah schien mehr zu der cholerischen Richtung zu gehören, wenigstens was ihre Niederschriften betraf.
    Sie beschrieb, nachdem sie den Text einer Kollegin erweitert hatte, die neue Geschichte des Planeten. Also die knapp fünfzig Jahre von Cythera Minor Nova, vom Tag der Apokalypse bis heute. Sie kümmerte sich weniger um die technische Seite

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