Applaus für eine Leiche
erreichten, war die Schauspielerin gerade dabei, wieder einmal das Studio zu verlassen. Ich teilte ihr meinen Wunsch mit, mich mit ihr zu unterhalten.
„Ich werde Sie nicht lange aufhalten“, versprach ich ihr. „Die Anwesenheit von Monsieur Covet, den Sie als verständnisvollen und mitfühlenden Mann kennengelernt haben, garantiert Ihnen, daß ich keine unlauteren Absichten habe... Ich möchte Ihnen nur ein paar Fragen stellen. Es wird nicht lange dauern.“
„Hoffentlich“, sagte Madame Baga. „Fassen Sie sich kurz, ich bin sehr erschöpft.“ Sie wandte sich an ihre Garderobiere: „Blanche, rufen Sie ein Taxi, während ich mich mit den Herren unterhalte.“
Mademoiselle Blanche ging hinaus, um der Bitte nachzukommen.
„Also, Madame“, begann ich, „Ihr Gatte ist bedroht worden. Wußten Sie das?“
„Ich habe es erst erfahren, als er tot war. Offensichtlich waren seine Befürchtungen gerechtfertigt“, murmelte sie.
Als Witwe, die etwas auf sich hält, hätte sie wenigstens „Leider!“ hinzufügen können. Sie tat es nicht.
„Gerechtfertigt?“ wiederholte ich. „Nun, wer Wind sät, wird Sturm ernten. Nein, regen Sie sich nicht auf, ich habe nur laut gedacht. Laut und geheimnisvoll. Nicht umsonst verkehrte ich früher mit Dichtern... Aber reden wir noch einmal über die Änderung des Drehbuchs. Sie haben dem Kommissar versichert, daß die Änderung auf Ihren Wunsch hin vorgenommen wurde. Gestatten Sie, daß ich an Ihren Worten zweifle.“
Jetzt regte sich der Filmstar doch noch auf. Man merkte es ihr kaum an, aber sie regte sich auf.
„Mir leuchtet die Bedeutung der Frage nicht ganz ein, ob ich oder jemand anders die Änderung verlangt hat. Aber wenn Sie mir nicht glauben, dann können Sie sich gerne beim Regisseur, beim Produzenten oder beim Drehbuchautor erkundigen.“
Ich lächelte.
„Sie werden mir antworten, daß es Ihr Wunsch war, Madame“, sagte ich. „Und das wird nicht gelogen sein. Doch eine Bitte vorzutragen, ist eine Sache. Eine andere ist es, die Bitte anzuregen. Nun, Monsieur Favereau ist tot, die Wahrheit schadet ihm nicht mehr. Als Sie gehört haben, daß der Revolver, den man für die Selbstmordszene benutzen wollte, geladen war, sind Sie in Ohnmacht gefallen. Warum, Madame? Sie können mir ruhig alles sagen, ich bin kein Kommissar von der Kripo…“
Und ich fügte meinen Lieblingssatz hinzu, obwohl ich nicht sehr von religiösem Geist beseelt bin:
„Ein Privatdetektiv ist so etwas wie ein Beichtvater.“
Janine Baga zögerte. Vielleicht flößten ihr echte Beichtväter schon kein übermäßiges Vertrauen ein. Endlich gab sie sich einen Ruck.
„Julien wollte die Änderung“, gestand sie.
„Und mit welcher Begründung hat er Sie vorgeschickt, um die Änderung zu verlangen?“
„Er hatte schon verschiedene Forderungen gestellt und befürchtete, daß eine weitere nicht akzeptiert werden würde. Außerdem mißfalle es ihm, einen Selbstmörder zu spielen, es könne seinem Image schaden, behauptete er. Ich nahm an, es war reiner Aberglaube, den er mir natürlich nicht eingestehen wollte...“
„Aber jetzt nehmen Sie das nicht mehr an?“
Zum ersten Mal sah sie mir direkt ins Gesicht. Ihre wunderschönen Augen drückten unendlichen Schmerz aus. Der Grund dafür war nicht nur ihre plötzliche Verwitwung. Nein, trotz ihrer Lebenserfahrung hätte sie nie gedacht, daß es so durch und durch schlechte Menschen gäbe.
„Nein, das nehme ich jetzt nicht mehr an“, antwortete sie auf meine Frage.
„Wer wußte von der Drehbuchänderung?“
„Das Produktionsteam.“
„Also ‘ne ganze Reihe von Leuten?“
„So viele nun auch wieder nicht.“
„Sie wissen, warum Favereau die Änderung veranlaßt hat, nicht wahr?“
„Heute weiß ich es“, murmelte sie.
„Sie haben ihm weder Zärtlichkeit noch finanzielle Unterstützung verweigert. Um ihn nicht zu verlieren, wären Sie zu allem bereit gewesen, nicht wahr? Zum Beispiel zu einer gewissen Formalität, die zwischen Ehegatten ansonsten üblich und völlig ungefährlich ist. Monsieur Covet hatte irgendwie herausgefunden, daß Ihr Verhältnis zu Favereau ernsthafterer Natur war als seine gewöhnlichen Bettgeschichten. Ich glaube, ich weiß, auf welchem Wege er das herausgefunden hat. Die Herren von der Presse haben nämlich überall ihre Beziehungen, von den Schwarzmarkthändlern bis hin zu...“
Ich grinste den Journalisten an.
„...bis hin zu den Angestellten der Versicherungsgesellschaften.“
Marc Covet
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