Applaus für eine Leiche
zu Boden gestürzt wäre.
„Ich bin der Kriminalkommissar.“
Alles um uns herum verstummte. Sascha zuckte nicht mit der Wimper.
„Ach, wirklich?“ fragte er. „Da haben Sie aber ‘n Scheißberuf, jedenfalls heute... Favereaus Mörder zu suchen, das ist ‘ne Sünde. Der Kerl hat’s verdient, und ich hoffe nicht, daß Sie den Schuldigen jemals finden werden. Aber was soll’s? Trinken wir was, von mir aus auch auf Ihren verdammten Beruf!“
„Spielen Sie hier kein Theater, Mann! Woher wissen Sie, daß Favereau ermordet wurde?“
„Hab’s gehört.“
„Ich hab aber ganz was anderes gehört. Haben Sie Ihren Schminkkoffer bei sich?“
„Meinen... was? Soll ich Sie etwa schminken? Hahaha! Totalmaske, wie bei Monsieur?“
Er zeigte auf mich.
„Lassen Sie die Scherze, mir ist es ernst! Zeigen Sie mir erst mal Ihre Papiere. Den Koffer seh ich mir dann später an.“
„Hören Sie, bei mir ist alles in Ordnung!“ rief der Russe empört. „Man kann sich doch wohl noch freuen, wenn ein Dreckskerl wie der umgebracht worden ist! Unser Großfürst...“
„Lassen Sie Ihren Zaren aus dem Spiel. Papiere!“ Sascha wühlte in seiner Anzugjacke, die er unter dem Kittel trug, und zog eine schmierige Brieftasche mit verschiedenen Dokumenten hervor. Der Kommissar warf einen kurzen Blick auf die Papiere und nahm sie an sich.
„Gut. Und jetzt zeigen Sie mir den Kram, den Sie für Ihre Arbeit brauchen.“
„Meine Utensilien befinden sich im Schminkschrank.“
„Gehen wir.“
„Aber...“
„Gehen wir!“
* * *
Im Schminkraum war niemand. Das Köfferchen des Russen stand auf einem Tisch. Es enthielt das Übliche: Bürsten, Kämme, Stifte, Pinsel, Puderquasten usw. Nichts fehlte. Der Kommissar sah mich erstaunt an. Doch daß der Koffer samt Inhalt hier stand, sprach nicht unbedingt gegen unsere Theorie. Der Beamte stellte die Utensilien zur Seite. Dann musterte er den Maskenbildner, dessen jetzt völlig ausdrucksloses Gesicht ihm offensichtlich mißfiel. Das Verhör, das er lustlos begann, schien er als überflüssig einzustufen. Trotzdem, man muß jeder Spur nachgehen, und manchmal ergibt sich aus der Routine eine Überraschung.
„Was hat Favereau Ihnen getan?“ begann er.
Die Augen des Russen schimmerten dunkel. Sein Verhalten veränderte sich schlagartig. Die herausfordernde Heiterkeit aus der Kantine war wie weggeblasen. Er hatte nun die Gelegenheit, seine Gefühle offen zu zeigen, und er ergriff sie. Seine Antwort kam wie aus der Pistole geschossen:
„Er hat mir meine Frau weggenommen.“
Seine Stimme zitterte, der leichte Akzent wurde stärker.
„Ich weiß“, fuhr er fort, „vielen macht so ‘ne Lappalie nichts aus. Mir schon. Eine Frau, die mit mir durch dick und dünn gegangen ist... Revolution, Exil... Eine Frau, die mich niemals betrogen hat... Und da kommt dieser Schönling daher, dieser verdammte Hund, und sie vergißt alles Er spuckte einen Fluch aus.
„Sie ist zu mir zurückgekehrt, aber trotzdem...“ Während Petit-Martin zuhörte, sah er sich mit wachsendem Interesse die Papiere des Ausländers an.
„Sie haben eine ausgezeichnete Ausbildung genossen, nicht wahr?“ fragte er.
„Militärakademie“, antwortete der Russe stolz.
„Sie waren nicht immer Maskenbildner beim Film“, stellte der Kommissar fest. „Ich sehe hier das Arbeitszeugnis einer Chemiefabrik in Saint-Denis. Sie haben in einem Labor gearbeitet?“
„Ja. Man hat mich entlassen, weil ich Ausländer bin. Deswegen bin ich Maskenbildner geworden.“
„Dann verfügen Sie über Kenntnisse?“
„Ich bin Russe. In dem Beruf genügt das.“
„Ich rede nicht von Kenntnissen als Maskenbildner. Ich meine die Chemiefabrik in Saint-Denis. Sie besitzen doch sicher Grundkenntnisse in Chemie?“
„Nicht nur Grundkenntnisse. Ich habe Spezialkurse besucht, schon bei uns in Rußland. Ich gehörte der Okhrana an. Wurde in terroristische Kreise eingeschleust. Wir sind beinahe Kollegen.“
„Na ja... Wie lange ist das jetzt her? Ich meine die Geschichte mit Favereau und Ihrer Frau.“
„Ein Jahr.“
„Ist Ihnen nie in den Sinn gekommen, Ihre Ehe wiederherzustellen?“
„Ich habe daran gedacht, ja. Aber dann bin ich zu der Überzeugung gelangt, daß dieser Schweinehund es nicht wert ist, sich wegen ihm in Schwierigkeiten zu bringen und seinen Kopf oder seine Freiheit zu riskieren. Eines Tages würde das Schicksal Gerechtigkeit üben, sagte ich mir. Nun, dieser Tag ist gekommen! Und niemand kann mir verbieten,
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