Applaus für eine Leiche
mich darüber zu freuen, verstehen Sie?“
Von seiner einstigen Gelassenheit war nichts mehr zu spüren. Ebensowenig wie von der Wirkung des Alkohols.
„Favereau war ein Dreckskerl!“ ereiferte er sich. „Er hat’s nicht besser verdient. Hoffentlich mußte er leiden! Ich bin erst heute hier eingestellt worden und hab so erfahren, daß er in diesem Film spielen sollte. Das paßte mir überhaupt nicht. Ich war mir nicht sicher, ob ich mich beherrschen könnte, wenn ich ihm gegenüberstehen würde. Sehen Sie, ich bin Ausländer. Wenn ich mir etwas zuschulden kommen lasse, werde ich des Landes verwiesen. Meine Frau und ich haben schon genug durchgemacht. Nein, Favereaus Anwesenheit paßte mir ganz und gar nicht! Jetzt allerdings freue ich mich, daß ich dabei war. Sozusagen in der ersten Reihe, um von seinem Tod zu erfahren. Ein Geschenk des Himmels!“
„Die Rache der Götter, was?“ lachte der Kommissar, wurde jedoch sofort wieder ernst: „Schluß mit den Ammenmärchen! Ich werde dir erzählen, was passiert ist. Und wenn dir klar wird, daß ich dir auf die Schliche gekommen bin, dann redest du von ganz alleine. Du bist nicht der Mann, der nicht zu seinen Taten steht. Im Gegenteil! Du würdest dich rühmen, deine Ehre reingewaschen zu haben... Also, gib’s zu: Du hast Favereau kaltgemacht!“
Der Russe sprang auf.
„Heilige Ikone!“ stieß er in einem beeindruckenden Tonfall wilder Aufrichtigkeit hervor. „Ich schwöre, daß das nicht stimmt! Dazu hatte ich nicht den Mut, auch wenn ich ihn gehaßt habe. Das hat jemand anders für mich erledigt. Gott segne den Täter und bewahre ihn vor Ihrem Zugriff! Sie haben recht, Kommissar: Ich würde von ganz alleine reden, mich meiner Tat rühmen und...“
„Schluß mit den Ammenmärchen, hab ich gesagt!“ donnerte Petit-Martin, der endgültig die Geduld verlor. Wahrscheinlich ahnte er wie ich, daß wir uns zum zweiten Mal geirrt hatten. Zuerst die betrogene Witwe, und jetzt der gehörnte Ehemann!
In diesem Augenblick trat der Gerichtsmediziner ein. Man sah sofort, daß er miserabler Laune war. Keine Spur mehr von seiner Fröhlichkeit! Wie ein bissiger Hund fletschte er die Zähne.
„Man hat mir gesagt, daß Sie hier sind, Kommissar...“
„Sie kommen gerade richtig!“ unterbrach ihn Petit-Martin. „Bringen Sie den Kram ins Labor zur Analyse. Das sind die Schminkutensilien des Herrn hier. Suchen Sie nach Giftspuren!“
„Ist er der Täter?“
Der Kommissar hob unentschlossen die Schulter. „Er haßte Favereau und kennt sich in der Chemie aus. Wenn Sie Gift in seinen Utensilien entdecken, besteht die Wahrscheinlichkeit, daß er auch den Revolver geladen hat. Er wollte ganz sicher gehen. Schließlich konnte er nicht wissen, daß das Drehbuch in letzter Minute geändert worden war.“
Der Arzt ging auf den Verdächtigen zu und bellte ihn an:
„Wenn du tatsächlich die Waffe geladen hast, bist du ein ganz gemeiner Hund, den man unschädlich machen muß!“
„Apropos“, schaltete sich der Kommissar ein, „was war denn im Hospital los? Sie sind ja mächtig wütend. Ist Lhéron tot?“
„Nein, er wird durchkommen, auch wenn er noch sehr zu knacken hat. Aber mein Assistent hat etwas Merkwürdiges an der Wunde entdeckt. Deswegen hat er mich rufen lassen. Der Kerl, der die Waffe geladen hat, ist ein hinterhältiges Schwein! In der Kriminalgeschichte gibt es nur einen vergleichbaren Fall: Vittorio Genna.“
„Genna, der Rivale von Al Capone?“ fragte ich.
„Genau der.“
Heute morgen noch hätte er einen Scherz über mein fundiertes Halbwissen gemacht. Inzwischen war ihm das Lachen jedoch vergangen.
„Ein Schuft war das“, erklärte er. „Hatte den genialen Einfall, seine Kugeln mit Knoblauch einzureiben. Für den Fall, daß ein Schuß nicht tödlich traf, infizierte sich die Wunde. Die Kugel, die Lhéron im Bauch hatte, ist genauso präpariert worden.“
„Großer Gott!“ rief ich aus.
„Und deswegen“, wandte sich der Arzt wieder an Sascha, „wenn du das gemacht hast, dann schminke ich eigenhändig dein Gesicht um!“
Kommissar Petit-Martin atmete tief durch. Im Lichte der Enthüllungen des Gerichtsmediziners sah er einen Hoffnungsschimmer. Für ihn schien diese empörende Grausamkeit ausgezeichnet zur slawischen Seele zu passen.
„Also, weiter im Text“, seufzte er, die harten Augen starr auf den Maskenbildner gerichtet.
„Großer Gott!“ wiederholte ich und ging hinaus.
Ich brauchte dringend frische
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