Applebys Arche
nicht unendlich traurig, Miss Curricle. Nur wenn ich
hier so sitze, dann fühle ich mich manchmal ein bißchen blümerant. Und das
liegt nicht am Magen. Ich denke, mir schadet die
Limonade überhaupt nicht, jedenfalls nicht, bis ich in Ihr Alter komme.« Mrs. Kittery wartete, daß Miss Curricle den strengen Blick abwandte, mit dem sie sie
musterte. »Und außerdem mag ich Limonade. Die ist knorke, wenn einem so richtig
heiß wird.«
Mr. Hoppo lachte glücklich, ein Sinnbild der Herzensgüte. »Ein Tag
wie dieser treibt einem den Schweiß auf die Stirn«, stimmte er herzhaft zu,
»selbst wenn man nur ein paar Ringe auf Deck wirft!« Er hielt inne und fragte
dann freundlich: »Wie, bitte, haben Sie das eben genannt?«
»Knorke.«
Da wo die Erfrischungstheke in die eigentliche Bar überging, senkte
sich ein drei Monate altes Exemplar der Times . »Ah«,
sagte eine Stimme voller Bonhomie, »die junge Dame ist Australierin. Wer hätte
das gedacht!« Das Gesicht eines Militärs kam zum Vorschein, den Blick
anerkennend auf Mrs. Kittery gerichtet. »Da wundert es uns natürlich gar nicht,
daß sie sich eine grüne See wünscht. In ihrem Land – auch wenn es ein schönes
Land ist, gewiß – ist schließlich alles braun und grau. Tausende von
Quadratmeilen braun und grau.« Eine militärische Augenbraue hob sich lustig,
als wolle sie auch noch das letzte Fünkchen Zweifel daran vertreiben, daß es
nicht böse gemeint war. »War mal für eine Woche da. Prachtvolles Land, glauben
Sie mir. Ein wenig unheimlich natürlich, und praktisch kein Wild. Aber verdammt
hübsch.«
Mrs. Kittery sah ihn mit noch runder gewordenen Augen an. »Sie sind
Künstler?« fragte sie. »Normalerweise brauchen Besucher ziemlich lange. Bis sie
es sehen , meine ich.«
»Künstler?« Die Times breitete sich flugs wieder
aus. »Nichts dergleichen, Ma’am. Steward, kleinen Whisky!«
»Ich war beeindruckt«, sagte Mr. Hoppo mit einer Stimme, die streng,
aber doch voller menschlicher Wärme war, »von den Städten – Großstädten sollte
man sie ja schon beinahe nennen. Man erwartete sie nicht; man hatte nur den
Outback vor Augen. In Melbourne hätte man beinahe denken können, man sei in – nun, sagen wir, Glasgow. Den besseren Stadtteilen natürlich.« Er hielt inne und
setzte einen Ausdruck auf, von dem sein Spiegel ihm versichert hätte, daß er
wunderbar verwegen war. »Aber ich glaube, was mir am meisten im Gedächtnis
bleiben wird, ist die Seife.«
»Bei Seife«, meinte Miss Curricle, »hätte ich weniger an endlose
Weiten gedacht als an grenzenlosen Dreck. Das müssen Sie uns erklären.«
Mr. Hoppo, vielleicht weil er sich ausmalte, wie lustig seine eigenen
Worte wirken würden, quittierte die Bemerkung mit einem pflichtschuldigen
Lachen. »In der australischen Seifenreklame«, erklärte er, »wird stets darauf
hingewiesen, daß die Seife dem Gesetz zur Lebensmittelreinheit entspricht. Ich
habe es nie ohne Erheiterung sehen können. Das Land der Sapophagen. Vielleicht
wollen die Australier uns auch zu verstehen geben, daß sie wirklich ernst mit
der Maxime machen, daß es beim Menschen vor allem auf die innere Reinheit
ankommt.«
Wieder gluckste Mr. Hoppo. Die Times knisterte mißbilligend – wobei die Kritik vielleicht weniger dem Scherz galt
als der Tatsache, daß er von einem Mann kam, der selbst im Tropenanzug
nie ganz seine geistlichen Kleider ablegte. Miss Curricle, sichtlich
unschlüssig, was sie darauf antworten sollte, wurde von einem nervösen
Lachen überwältigt. Und ein stiller junger Mann in der gegenüberliegenden Ecke
gab sich einen Ruck und sandte versuchsweise ein mitfühlendes Lächeln hinüber
zu Mrs. Kittery. Sie erwiderte es, doch spürte er nichts Verschwörerisches
an der Art, wie sie zurücklächelte. Sie brauchte seine Unterstützung nicht,
denn sie hatte die Stimmung, die in ihr heranwuchs, das Gefühl, daß sie Anstoß
erregte, noch gar nicht bemerkt. Ja, sie stieß nun sogar selbst
unvermittelt ein lautes Lachen aus, wie jemand, der plötzlich einen Scherz
erkennt, der schon lange zu sehen war.
»Als ich nach Australien kam«, sagte Miss
Curricle, »war ich im Glauben, es sei Neuseeland. Ein Mißverständnis. Jemand im
Reisebüro hatte mir den falschen Prospekt gegeben. Ich fand, die Landschaft
hielt nicht, was man mir versprochen hatte, und beschwerte mich, und da kam es
heraus. Daß ich in Wirklichkeit in Australien war. Und sie wollten mir nichts
erstatten. Aber ich habe dann
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