Aprilwetter
zeigt ihm einen schrulligen Kronleuchter voller bunter Tropfen, Früchte und Blätter aus Glas, der ins Bad soll, und er macht sich an die Arbeit. Weil es keine Leiter gibt, muss er einen Stuhl auf einen Tisch stellen – die Räume sind hoch, das Haus wurde Anfang des letzten Jahrhunderts gebaut –, sie reicht ihm die Lampe und lächelt: »Ziehen wir schon wieder zusammen um«, sagt sie.
»Wir waren ein gutes Team«, sagt er.
—
Den Transport damals hatte eine Spedition erledigt, das Einräumen übernahmen Christine und Benno. Sie schlug vor, sich um Vorhänge zu kümmern, und maß alles aus, fuhr mit seinem Wagen in die Stadt, um Stoff zu kaufen und das Nähen in Auftrag zu geben, während er zuerst das Studio auspackte und aufbaute und dann die Platten, CDs, Kleider und Küchenutensilien einräumte und bemerkte, dass er sich mittlerweile weniger überfordert als vielmehr durch die Beschäftigung getröstet fühlte.
Immer nach ihrem Dienst holte er Christine von der Klinik ab, und sie half ihm, erzählte von Daniel, von diesem und jenem, das sie über Psychiatrie und Psychologie wusste, von ihrer Heimatstadt im Westerwald und störte sich nicht daran, dass er schweigsam war und immer nur auf Fragen reagierte. »Ihr seid ein seltsames Paar«, sagte sie irgendwann, und es klang aus ihrem Mund wie ein Lob.
»Wir sind kein Paar«, sagte er, »wir machen nur Musik.«
Wenn sie Hunger hatten, holte einer von ihnen Pizza, oder sie gingen irgendwohin aus. Benno bezahlte. Dann brachte er sie nach Hause – sie wohnte in einer Wohngemeinschaft in der Altstadt. Nach wenigen Tagen war der hässliche Bungalow schöner geworden als die Villa, aus der man sie rausgeworfen hatte. Das lag an Christine. Weder Daniel noch Benno waren je an Wohnlichkeit oder Schönheit interessiert gewesen, in der Villa hatten sie beim Einzug die braungrünen Vorhänge vom Vormieter übernommen und ihre Sachen einfach hingestellt. Aber jetzt machte Christine die Vorschläge – Benno stimmte zu, und auf einmal war das Ganze ein Nest. Nicht nur wie bisher ein Platz für Geräte, Instrumente und Möbel. Es gab einen Teppich, eine Tischdecke, eine alberne Stehlampe und ein zweites Sofa. Es gefiel ihm. Daniel würde staunen.
Nach dreieinhalb Wochen war die Villa neu gestrichen, der Bungalow eingerichtet und Christine hatte keinen Grund mehr zu kommen.
Benno versuchte, die Zeit zu nutzen, und arbeitete an den angefangenen Stücken weiter oder an Ideen, die noch kein Stück geworden waren. Er nahm alles auf, löschte es aber oft, noch bevor er sich überwinden konnte, es anzuhören – ohne Daniel war das alles nur Mittelmaß. Ganz nett. Das konnte auch jemand anderes so machen. Ohne Daniel war er Durchschnitt.
Er trank hin und wieder einen Schluck oder ein Glas Glenlivet, und manchmal spielte er dann besser oder schlief besser. Oder er fühlte sich besser.
—
Alle paar Tage rief er Christine an, zwei-, dreimal trafen sie sich, und irgendwann bat sie ihn, Daniels Gitarre in die Klinik zu bringen. Er nahm auch seine mit, für alle Fälle, und stand vor Daniel mit weichen Knien und kurzem Atem, eine Gitarre in jeder Hand. Daniel nahm seine, skeptisch zuerst, aber dann mit einem kleinen Lächeln, setzte sich, legte das Instrument über sein rechtes Knie und begann es zu stimmen. Dann sah er zu Benno auf, der immer noch stand, sich schon damit abfinden wollte, dass er wieder gehen müsste, nur als Lieferant der Gitarre eingeplant gewesen sei, und Daniel lächelte breiter und sagte: »Tut mir leid.«
»Mir auch«, sagte Benno und zog sich einen Stuhl heran.
Daniel hatte sich schon die Fingerpicks angesteckt und begann zu spielen, während Benno zuerst noch stimmte und dann fließend in die Figur einstieg, zuerst mit einzelnen Flageoletts, dann einem Glissando abwärts auf der tiefen E-Saite über fast den ganzen Hals, und dann legten sie los, als hätte es nie eine Pause, geschweige denn ein Zerwürfnis, gegeben.
Die Ärzte und Schwestern waren angetan, manche sogar hingerissen, einige der Patienten auch. Einer war so aufgeregt, dass er in die Hose machte, und ein anderer gab ständig Geräusche von sich. Er musizierte wohl mit. Daniel schien sich nicht darum zu kümmern, also schluckte Benno seine Irritation und spielte. Daniel genoss den Auftritt, er badete in der Aufmerksamkeit und Zuneigung, sie schienen alle in ihn verliebt zu sein, starrten ihn mit strahlenden Gesichtern und glänzenden Augen an, als wäre er der liebe Gott, manche
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