Aprilwetter
und schließt seine Tür auf.
Eine Zeit lang hört er sie noch über sich auf und ab gehen, dann nimmt er die Strat und spielt. Und hört keine Schritte mehr über sich, nur noch das spitze winzige Zirpen der angeschlagenen Saiten ohne Resonanz, er spürt die Töne und Klänge auf seinen Fingerspitzen, die er hören würde, wenn die Gitarre angeschlossen wäre.
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Als Daniel entlassen wurde, machten sie da weiter, wo sie unterbrochen worden waren. Er quittierte die hübschen Vorhänge, Tischdecken, den Teppich und die Lampen mit einem kleinen Grinsen und beeilte sich, ins Studio zu kommen und loszulegen. Ein paar Tage lang gab sich Benno der Hoffnung hin, alles werde weitergehen wie zuvor, aber je besser sie vorankamen, desto deutlicher spürte er, dass sie nicht mehr eins waren. Nicht mehr der Doppelmusiker von früher. Benno war nur noch der Gitarrist von Gott. Daniel hatte auf einmal Ideen und Vorschläge für Bennos Part, das war bisher nie so gewesen, jeder hatte seinen Teil erfühlt und beigesteuert, wenn der andere ein melodisches Angebot machte – jetzt spielte Daniel Figuren vor, die Benno übernehmen sollte, triezte ihn mit manchmal sehr genauen Vorstellungen und hatte offenbar vergessen, dass Benno in der Lage war, ihn zu überraschen. Benno schluckte seinen Ärger und versuchte es dennoch. Aber wenn er sich auf Daniel eingestellt und in seine Figuren eingefädelt hatte, dann quittierte der das mit einem Kopfnicken oder ähnlich lakonischen Zeichen der Anerkennung und nicht mehr wie früher mit diesem breiten, strahlenden Lächeln, das Benno gewohnt war und auf das er nun vergeblich wartete.
Ihre Musik war immer noch gut – die Ideen flogen hin und her, aber Benno hatte das Gefühl der Ebenbürtigkeit und Gleichberechtigung verloren. Die Balance war verrutscht. Daniel machte sich zum Anführer und Benno zum Vasallen.
Natürlich fiel das niemandem auf. Feine Veränderungen in der Chemie zeigen sich nur den Beteiligten, nur die misstrauische Ehefrau merkt, dass ihr Mann auf einmal zuvorkommend wird, das Rasierwasser wechselt und seinen Musikgeschmack modifiziert, nur der misstrauische Ehemann entdeckt, dass seine Frau ihn plötzlich nicht mehr ändern will.
Als sie Arno nach drei Wochen das neue Material vorspielten, war der begeistert und machte Pläne wie immer. Und als sie wieder auf der Bühne standen, in Graz, in Wien und Heidelberg, wo sie drei der neuen Stücke ausprobierten, war es wie immer. Benno fühlte sich getragen von Daniel und sich selbst, vom Publikum, fühlte sich enteignet und reich im selben Augenblick, es war so aufregend und tröstlich wie immer, mit Daniel zu musizieren.
Nur dass der jetzt mehr als früher den Entertainer spielte, sich auf der Bühne und auch in den Interviews, die sie manchmal hinterher für die örtlichen Zeitungen gaben, in den Vordergrund rückte. Aber das störte Benno nicht. Daniel nahm ihm den Part ab, und das war ihm recht.
Nach den Konzerten trank er Whisky, und Daniel trainierte mit Hanteln oder rannte ein paar Kilometer. Sie hatten kein Wort darüber geredet, aber Gras und Koks blieben tabu. Ob Daniel überhaupt merkte, dass Benno ihm zuliebe die Finger davon ließ, war für Benno nicht zu erkennen. Vielleicht hielt Daniel das für selbstverständlich.
Nach zwei Wochen Pause, in denen Christine einmal zu Besuch kam, um sich die neuen Stücke vorspielen zu lassen, gingen sie auf eine kompakte kleine Tournee, auf der sie die neuen Stücke warmspielen wollten – zwölf Konzerte in – außer Düsseldorf und Mainz – allesamt kleinen Städten, alle Ersatz für die ausgefallenen vor einem Vierteljahr.
Aus irgendeinem Grund wollte Daniel plötzlich das Verkabeln übernehmen. Bisher hatte Benno das gemacht, zusammen mit Carlo, dem Mixer, und Daniel musste nur mit anpacken, wenn die Zeit knapp war. Er hatte in dieser Zeit die Gitarren gestimmt, Saiten gewechselt oder war unterwegs gewesen, um Blumen zu holen. Sie hatten mittlerweile viele esoterische Schwärmer im Publikum, und Benno war auf die Idee gekommen, jeden Abend frische Blumen auf die Bühne zu stellen.
Es hätte ihm nichts ausgemacht, die Kabelei abzugeben, es war der schmutzige Teil der Arbeit, man hatte immer schwarze Hände hinterher, aber Daniel hielt den Betrieb auf. Er brauchte doppelt so lang, brabbelte vor sich hin, erklärte sich selbst jeden Schritt und wollte sich nicht helfen lassen. So kam es, dass Carlo und Benno immer öfter herumstanden und darauf warteten, dass es
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