Archer Jeffrey
überhaupt wahrzunehmen, was um mich herum geredet wurde. Die Mehrzahl derer, die eine Meinung abzugeben hatten, schien von der Unschuld Menzies’ überzeugt zu sein.
Sobald wir zurückgekehrt waren, um zehn nach zwei, rief Mr. Scott seinen ersten Zeugen auf: den Angeklagten selbst.
Paul Menzies verließ die Anklagebank und ging langsam zum Zeugenstand hinüber. Er nahm ein Exemplar des Neuen Testaments in seine rechte Hand und las von der Karte, die er in seiner Linken hielt, stockend die Eidesformel ab.
Aller Augen waren auf ihn gerichtet, während Mr. Scott begann, seinen Klienten vorsichtig durch ein Minenfeld von Beweismaterial zu führen.
Während der Tag sich dahinschleppte, wurde Menzies allmählich immer selbstsicherer in seinen Aussagen, und als der Richter den Anwesenden verkündete: »Das ist genug für heute«, war ich überzeugt, er würde freikommen, und sei es auch nur auf Grund eines Mehrheitsbeschlusses.
Ich verbrachte eine unruhige Nacht, bevor ich am dritten Tag mit den schlimmsten Befürchtungen an meinen Platz zurückkehrte. Würden sie Menzies freilassen und dann anfangen, nach mir zu suchen?
Mr. Scott eröffnete den dritten Morgen in derselben gemäßigten Weise, in der er den zweiten begonnen hatte, wiederholte jedoch so viele Fragen vom Vortag, daß offensichtlich wurde, daß er seinem Klienten in Vorbereitung auf das Verhör des Staatsanwalts lediglich den Rücken steifen wollte. Bevor er sich schließlich wieder setzte, fragte er Menzies zum dritten Mal: »Hatten Sie je Geschlechtsverkehr mit Miss Moorland?«
»Nein, Sir. Ich bin ihr an jenem Tag überhaupt zum ersten Mal begegnet«, erwiderte Menzies bestimmt.
»Und haben Sie Miss Moorland ermordet?«
»Ganz gewiß nicht, Sir«, sagte Menzies, und seine Stimme klang jetzt stark und selbstsicher.
Mr. Scott nahm seinen Platz wieder ein. Auf seinem Gesicht lag ein Ausdruck stiller Befriedigung.
In aller Fairneß Menzies gegenüber muß gesagt werden, daß einem in einem normalen Leben nur sehr wenig widerfährt, was einen auf ein Kreuzverhör durch Sir Humphrey vorbereiten könnte. Ich hätte mir keinen besseren Ankläger wünschen können.
»Wenn Sie erlauben, Mr. Menzies, möchte ich mit dem anfangen«, begann er, »worauf Ihr Verteidiger so großen Wert als Beweis Ihrer Unschuld zu legen scheint.«
Menzies’ dünne Lippen bildeten nach wie vor einen festen, geraden Strich.
»Der fragliche Eintrag in Ihrem Terminkalender, der darauf hindeutet, daß Sie mit Miss Moorland – der Ermordeten « – ein Wort, das Sir Humphrey während des Kreuzverhörs immer und immer wieder anbringen sollte –, »ein zweites Treffen vereinbarten, und zwar für den Mittwoch, nachdem sie getötet worden war.«
»Ja, Sir«, sagte Menzies.
»Diese Eintragung erfolgte – berichtigen Sie mich, wenn ich mich irre – im Anschluß an Ihr Treffen in Miss Moorlands Wohnung.«
»Ja, Sir«, sagte Menzies, dem offensichtlich eingeschärft worden war, nichts hinzuzufügen, was dem Staatsanwalt später helfen könnte.
»Wann also haben Sie diese Eintragung gemacht?« fragte Sir Humphrey.
»Freitag morgen.«
»Nachdem Miss Moorland getötet worden war?«
»Ja, aber das wußte ich ja nicht.«
»Tragen Sie einen Terminkalender bei sich, Mr. Menzies?«
»Ja, aber nur einen kleinen Taschenkalender, nicht den großen von meinem Schreibtisch.«
»Haben Sie ihn heute bei sich?«
»Ja.«
»Darf ich einen Blick darauf werfen?«
Zögernd holte Menzies einen kleinen grünen Kalender aus seiner Jackentasche und übergab ihn dem Gerichtsschreiber, der ihn seinerseits an Sir Humphrey weiterreichte. Sir Humphrey begann darin zu blättern.
»Ich sehe, daß es hier keinen Eintrag bezüglich Ihrer Verabredung mit Miss Moorland für den Nachmittag gibt, an dem sie getötet wurde?«
»Nein, Sir«, sagte Menzies. »Ich trage geschäftliche Termine nur in meinen Schreibtischkalender ein; private Verabredungen sind ausschließlich meinem Taschenkalender vorbehalten.«
»Ich verstehe«, sagte Sir Humphrey. Er hielt inne und sah auf.
»Ist es nicht merkwürdig, Mr. Menzies, daß Sie einem Termin mit einem Klienten zur Besprechung weiterer geschäftlicher Angelegenheiten zustimmten und ihn dann Ihrem Gedächtnis anvertrauten, anstatt ihn einfach in dem Kalender, den Sie ständig bei sich haben, zu notieren und später zu übertragen?«
»Vielleicht habe ich es auf ein Stück Papier geschrieben, aber wie ich bereits erklärte, ist das hier mein privater Kalender.«
»Tatsächlich?« sagte Sir
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