Archer Jeffrey
sich wieder aufraffen und zum Gegenangriff übergehen konnte, wandte ich mich ab, ging hinaus und schlug die Wohnungstür hinter mir zu.
Ich lief durch die Halle und hinaus auf die Straße, sprang in meinen Wagen und fuhr schnell davon. Das Ganze konnte nicht länger als zehn Minuten gedauert haben. Obwohl ich nicht übel Lust gehabt hatte, sie umzubringen, tat es mir, lange bevor ich zu Hause ankam, leid, sie geschlagen zu haben. Zweimal wäre ich fast umgekehrt. Alles, was sie mir vorgeworfen hatte, war gerechtfertigt, und ich überlegte, ob ich den Mut aufbringen würde, sie von zu Hause aus anzurufen. Sicher, unsere Liebesaffäre war erst ein paar Monate alt, aber Carla mußte wissen, wieviel sie mir bedeutete.
Wenn Elizabeth beabsichtigt hatte, sich kritisch über mein Zuspätkommen zu äußern, dann besann sie sich in dem Moment eines Besseren, als ich ihr die Rosen überreichte. Sie machte sich daran, sie in einer Vase zu arrangieren, während ich mir einen großen Whisky eingoß. Ich wartete darauf, daß sie etwas sagen werde, denn ich trank selten vor dem Dinner, aber sie schien vollauf mit den Blumen beschäftigt. Obgleich ich mir bereits vorgenommen hatte, Carla am Telefon um Verzeihung zu bitten, entschied ich, daß ich dies nicht von zu Hause aus tun konnte. Jedenfalls würde sie sich, wenn ich damit wartete, bis ich morgen früh im Büro war, inzwischen ein wenig beruhigt haben.
Ich wachte am folgenden Tag zeitig auf, und während ich noch im Bett lag, erwog ich, in welcher Form ich mich entschuldigen sollte. Ich faßte den Entschluß, sie zum Lunch in das kleine, von ihr so geliebte französische Bistro einzuladen, das auf halbem Wege zwischen unseren beiden Büros lag. Carla wußte es immer sehr zu schätzen, wenn wir uns mitten am Tag trafen, denn da stand für sie fest, daß es nicht um Sex gehen konnte. Nachdem ich mich rasiert und angezogen hatte, setzte ich mich zu Elizabeth an den Frühstückstisch, und da auf dem Titelblatt der Zeitung nichts Interessantes stand, richtete ich meine Aufmerksamkeit auf den Wirtschaftsteil. Die Aktien der Firma waren wieder gefallen – eine Folge der Vorhersagen aus der City, daß es dürftige Zwischengewinne geben werde. Bei so schlechter Publicity würde es bei unseren Wertpapieren zweifellos zu Kursverlusten in Millionenhöhe kommen. Ich wußte, daß die Firma zur Jahresbilanz rote Zahlen schreiben würde. Nachdem ich eine zweite Tasse Kaffee hinuntergestürzt hatte, küßte ich meine Frau auf die Wange und machte mich auf den Weg zu meinem Wagen. Das war der Moment, in dem ich beschloß, doch lieber in Carlas Briefkasten eine Nachricht zu hinterlassen, als die Peinlichkeit eines Anrufs auf mich zu nehmen.
»Vergib mir«, schrieb ich. »Marcel’s, 1 Uhr. Seezunge Veronique am Freitag. In Liebe, Casaneva.« Ich schrieb selten an Carla, und wenn ich es tat, unterschrieb ich immer nur mit Kosenamen, den sie mir gegeben hatte.
Ich fuhr den kleinen Umweg, um an ihrem Haus vorbeizukommen, wurde aber durch einen Verkehrsstau aufgehalten. Als ich mich dem Wohnblock näherte, konnte ich sehen, daß die Stockung durch irgendeinen Unfall verursacht wurde. Es mußte sich um etwas ziemlich Ernstes handeln, denn ein Krankenwagen blockierte die andere Straßenseite und verzögerte den Verkehrsfluß. Eine Verkehrspolizistin versuchte zu helfen, verlangsamte aber alles nur noch mehr. Es war offensichtlich, daß es unmöglich sein würde, in der Nähe von Carlas Wohnung zu parken, daher fand ich mich damit ab, sie doch anrufen zu müssen. Mir war nicht wohl bei dem Gedanken.
Ein paar Augenblicke später bekam ich ein flaues Gefühl im Magen, als ich sah, daß der Krankenwagen nur wenige Meter von der Eingangstür ihres Wohnblocks entfernt parkte. Ich wußte, daß ich nicht logisch dachte, aber ich fing an, das Schlimmste zu befürchten. Ich versuchte mir einzureden, dies sei wahrscheinlich nur ein Verkehrsunfall und habe nichts mit Carla zu tun.
In diesem Moment sah ich den Polizeiwagen, der hinter der Ambulanz versteckt stand.
Als ich bis auf gleiche Höhe mit dem Krankenwagen vorgerückt war, sah ich, daß Carlas Wohnungstür weit offenstand. Ein Mann in einem langen weißen Mantel kam eilig herausgerannt und öffnete die hintere Tür des Krankenwagens. In der Hoffnung, der Mann hinter mir würde nicht ungeduldig werden, hielt ich den Wagen an, um genauer beobachten zu können, was da vor sich ging. Fahrer, die aus der entgegengesetzten Richtung kamen, hoben die Hand zum
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