Archer Jeffrey
Verlust als gesetzlich anerkannte
Geschäftsunkosten reklamieren kann«, sagte Philip. »Und dazu
wäre ich nicht in der Lage gewesen, wenn ich dich nicht früher
einmal beschäftigt hätte.«
»Und ich als siegreiche Prozeßpartei brauche auf die in einem
Zivilprozeß erhaltene Entschädigungssumme keinerlei Steuern
zu zahlen.«
»Eine Gesetzeslücke, von der selbst dieser Richter keine
Ahnung hatte«, sagte Philip.
»Auch wenn sie an Reggie Lomax gingen, tut es mir doch leid
um die Anwaltshonorare«, fügte Michael hinzu.
»Kein Problem, alter Junge. Die können auch
hundertprozentig von der Steuer abgesetzt werden. Also habe
ich, wie du siehst, keinen Pfennig verloren und du bist am Ende
um vierzigtausend Pfund reicher – und das steuerfrei.« »Und keiner hat was gemerkt«, sagte Michael lachend.
Der Colonel steckte sein Fernglas zurück in das Etui. »Hatten Sie den diesjährigen Gewinner des ›President’s
Putter‹ im Okular, Colonel?« fragte der Klubkapitän. »Nein«, entgegnete der Colonel. »Den sicheren Sponsor des
diesjährigen Jugendturniers.«
Christina Rosenthal
Der Rabbi wußte, er würde an seiner Predigt erst arbeiten können, nachdem er den Brief gelesen hatte. Länger als eine Stunde hatte er an seinem Schreibtisch vor einem leeren Blatt Papier gesessen, und ihm war der erste Satz noch nicht eingefallen. In letzter Zeit fiel es ihm schwer, sich auf eine Pflicht zu konzentrieren, der er während der letzten dreißig Jahre jeden Freitagabend nachgekommen war. Sie mußten mittlerweile gemerkt haben, daß er seiner Aufgabe nicht mehr gewachsen war. Er zog den Brief aus dem Umschlag und entfaltete langsam die Seiten. Dann schob er die halbmondförmige Brille auf seinem Nasenrücken hoch und begann zu lesen.
Mein lieber Vater,
»Jude! Jude! Jude!« war aus ihrem Mund das erste, was ich sie je hatte sagen hören. Und sie rief es, als ich in der ersten Runde des Rennens an ihr vorbeilief. Sie stand hinter der Umzäunung am Anfang der Zielgeraden und ihre Hände waren trichterförmig um ihren Mund gelegt, damit ich ja nichts von dem Gejohle versäumte. Sie mußte aus einer anderen Schule sein, denn ich kannte sie nicht, aber ich brauchte nur flüchtig hinzusehen, um zu erkennen, daß Greg Reynolds neben ihr stand.
Nachdem ich fünf Jahre lang in der Schule seine höhnischen Bemerkungen und seine Einschüchterungsversuche ertragen hatte, wollte ich mich bei ihm bloß mit den Worten »Nazi, Nazi, Nazi!« revanchieren, doch Du hattest mich immer gelehrt, über solche Provokationen erhaben zu sein.
Während ich die zweite Runde in Angriff nahm, versuchte ich, sie alle beide zu vergessen. Jahrelang hatte ich davon geträumt, bei den Meisterschaften der West Mount High School die Meile zu gewinnen und war fest entschlossen, mich durch die beiden nicht aufhalten zu lassen.
Als ich zum zweiten Mal in die Gegengerade einlief, sah ich sie mir genauer an. Sie stand inmitten einer Gruppe von Mädchen, die die Halstücher des Marianapolis Convent trugen. Sie muß etwa sechzehn gewesen sein und war gertenschlank. Ich frage mich, ob Du mich wohl gerügt hättest, wenn ich »Kein Busen, kein Busen, kein Busen!« gerufen hätte, nur das, nichts weiter, in der Hoffnung, wenigstens den Jungen neben ihr zu provozieren? Dann hätte ich Dir der Wahrheit entsprechend berichten können, daß er zuerst zugeschlagen habe, aber in dem Moment, da Du erfahren hättest, daß es sich um Greg Reynolds handelte, wäre Dir klar gewesen, daß mir bei ihm der geringste Anlaß genügte.
Als ich die Gegengerade erreichte, machte ich mich erneut auf das Gejohle gefaßt. Anfeuerungsgeschrei bei Leichtathletikveranstaltungen war in den späten 50ern Mode geworden, als in den Laufstadien der ganzen Welt »Za-to-pek, Za-to-pek, Za-to-pek!« gebrüllt wurde, zu Ehren des großen tschechischen Meisters. Ich wußte, mir würde kein Mensch »Ro-sen-thal, Ro-sen-thal, – Ro-sen-thal!« zurufen, wenn ich in Hörweite käme.
»Jude! Jude! Jude!« rief sie, und es klang wie bei einer Schallplatte mit kaputter Rille. Ihr Freund Greg, von dem man heutzutage sagen würde, er sei »in«, begann zu lachen. Ich wußte, er hatte sie dazu angestiftet, und wie gerne hätte ich ihm das blasierte Grinsen von seinem Gericht heruntergerissen! Ich erreichte die Halbe-Meile-Marke in zwei Minuten siebzehn Sekunden, eine Zeit, die gut und gern reichen würde, den Schulrekord zu brechen, und ich hielt gerade das für die beste Methode, das höhnende Mädchen
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