Grimes, Martha - Inspektor Jury geht übers Moor
Martha Grimes - Inspektor Jury 10 - Inspektor Jury geht übers Moor
Buch
Als Inspektor Jury die schöne, schweigsame Frau zum erstenmal sieht, erscheint sie ihm wie die tragische Königin aus einem Shakespeare-Drama. Am selben Abend erschießt die Unbekannte in der Lounge eines vornehmen Country-Hotels vor seinen Augen ihren Mann. Der Fall scheint für die Polizei von Yorkshire völlig klar. Doch Jury findet bald heraus, daß der Ermordete keineswegs der Ehrenmann war, den alle Welt in ihm sah.
Für Kathy Grimes, Roy Buchanan und meine Katzen Felix und Emily die alle in das große Schweigen eingegangen sind
Was kümmert ihn Sturm und die eisigste Nacht, Es muß um ihn kalt sein, dann schlummert er sacht.
»So lasse dich warnen, sonst wirst du nicht alt: Bleib kalt, junger Obsthain, leb wohl und bleib kalt, Denn Wärme im Winter ist schlimmer als Frost.« Ich geh und komm wieder, wenn alles hier sproßt.
Robert Frost
Once bom you’re addicted And so you depict it As good, but who kicked it?
Richard Hell
Dank
Wenn mich jemand fragt, woher ich meine Eingebung bekomme, dann frage ich zurück: »Eingebung?« Dieses Mal jedoch war es anders.
Ich möchte einigen Menschen danken, denen ich nie begegnet bin:
John Coltrane, Miles Davis, Edward Van Halen, Steve Vai, Jeff Beck, Joe Satriani, Ry Cooder, Mark Knopfler, Otis Redding, Eric Clapton, Jimmy Page, James Taylor, Yngwie J. Malmsteen, Elvis Presley, Lester Bangs, Greil Marcus, Jimi Hendrix, John McLaughlin, Stevie Ray Vaughan, Tommy Petty und Frank Zappa.
Dank auch ein paar Menschen, denen ich tatsächlich begegnet bin:
Elise Kress und der New Saint George Band; Chief Superintendent Roger E. Sandell von der Polizei in Norfolk; Tony Walton vom Hammersmith Odeon; dem Gitarristen Andrew Moffitt und Kent Holland, der sich nach Karten für das Lou-Reed-Konzert die Beine in den Bauch gestanden hat.
Melrose Plant möchte an dieser Stelle ganz besonders Lou Reed danken.
Erster Teil - Lebwohl und bleib kalt
Er hatte sie heute schon einmal gesehen, im Museum hinter dem Pfarrhaus. Mittlerweile war es zehn Uhr abends, und da für ihn festgestanden hatte, daß sich ihre Wege nie wieder kreuzen würden, konnte Jury nicht anders, er mußte immer wieder über den Rand der Lokalzeitung schielen und sich vergewissern, ob sie nicht wenigstens jetzt merkte, daß sie beobachtet wurde.
Aber nein. Sie saß in die Kissen des Stuhls am Kamin gelehnt, neben sich auf dem Tisch ein kaum angerührtes Glas Brandy, das sie mitsamt ihrer Umgebung vergessen zu haben schien. Eine ganze Weile hatte ihre Aufmerksamkeit einer schwarzen Katze gegolten (die ihr an diesem Tag den ersten Anflug eines Lächelns entlockt hatte, jedenfalls soweit Jury das beurteilen konnte). Die Katze hatte den besten Sitzplatz im ganzen Gasthaus mit Beschlag belegt, nämlich einen hohen ledernen Lehnstuhl. Die blinzelnden gelben Augen der Katze und ihr besitzergreifendes Gebaren schienen zu besagen: Gäste kommen und gehen, ich aber bleibe. Sie hatte Rechte.
Die Frau jedoch erweckte den Eindruck, als hätte sie keine. Trotz der erlesenen, maßgeschneiderten Kleidung, des Saphirrings mit Karreeschliff und der perfekt geschnittenen Kurzhaarfrisur hatte sie schon vorhin diesen Eindruck auf ihn gemacht - als habe sie ihrer Position entsagt, sich aller Rechte und Privilegien begeben.
Eine Einbildung, und eine abwegige obendrein, zusammengestoppelt aus ein paar flüchtigen Eindrücken. Fehlte nicht viel, und er dichtete ihr die tragische Geschichte einer zur Abdankung gezwungenen Königin an.
Jury versuchte, sich wieder auf sein Yorkshire-Bitter und die fesselnde Reportage über die Schafversteigerung und die Wohltätigkeitsveranstaltung zugunsten des Bronte-Museums zu konzentrieren.
Ausgerechnet in diesem Museum hatte er sie vorhin zum erstenmal gesehen, als sie sich über einen der Schaukästen beugte, in denen die Manuskripte verwahrt wurden. Touristisch gesehen war Nebensaison, ein frostiger Tag nach Neujahr.
Außer ihnen waren noch eine schlampig gekleidete Frau, der dazugehörige Mann mit gelichtetem Haar und zwei kleine Kinder im Raum, allesamt dick eingemummt. Das Mädchen und der Junge glichen mit ihren dicken Mänteln und Schals den Teddybären, die sie im Arm hatten. Die Mutter mit ihren Jeans und dem ausgeleierten Pullover wirkte abgespannt, so als hätte sie gerade die Wäsche einer ganzen Woche gewaschen; der Vater, dem der Fotoapparat von der Schulter baumelte, versuchte, Emily Brontes Gedicht vom
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