Archer Jeffrey
setzte sich an einen Ecktisch. Zwar konnte er den Bildschirm nicht allzugut sehen, dafür aber die andere Straßenseite. Ein ramponiertes Schild mit der Aufschrift J. Escobar. Monte de Piedad, establecido 1946 schaukelte in der nachmittäglichen Brise über dem Pfandhaus.
Mehrere Minuten vergingen, bevor ein Polizeiwagen mit quietschenden Reifen vor dem Laden hielt. Sobald Fitzgerald gesehen hatte, daß die beiden uniformierten Polizisten das Haus betraten, verließ er seinen Tisch und schritt scheinbar unbekümmert durch die Hintertür auf eine weitere ruhige Samstagnachmittagsstraße. Er hielt das erste fahrgastlose Taxi an und sagte mit breitem südafrikanischem Akzent: »El Belvedere am Plaza de Bolivar, par favor.« Der Fahrer nickte knapp, als wolle er deutlich machen, daß er keine Lust hatte, sich zu unterhalten. Nachdem sein Fahrgast es sich lässig auf der Rückbank des arg mitgenommenen gelben Taxis bequem gemacht hatte, stellte er das Radio lauter.
Fitzgerald warf einen neuerlichen Blick auf die Uhr: siebzehn Minuten nach eins. Er war mit seinem Plan etwa zwei Minuten im Rückstand. Die Rede mußte soeben begonnen haben, doch da sie bestimmt gut vierzig Minuten dauern würde, blieb ihm noch immer mehr als genug Zeit, sich dem wahren Grund seines Aufenthalts in Bogota zu widmen. Er ruckte ein paar Zentimeter nach rechts, damit der Fahrer ihn auch deutlich im Innenspiegel sehen konnte.
Sobald die policia ihre Untersuchung begann, würde jeder, der Fitzgerald an diesem Tag gesehen hatte, in etwa die gleiche Beschreibung geben: Weißer, um die fünfzig, gut einsachtzig groß, ungefähr hundert Kilo, unrasiert, dunkles, widerspenstiges Haar, wie ein Ausländer gekleidet und mit fremdem, aber nicht amerikanischem Akzent. Fitzgerald hoffte, daß wenigstens einer der Befragten die nasale südafrikanische Aussprache erkennen würde. Er hatte sich immer schon gut darauf verstanden, Akzente nachzuahmen. An der High School hatte er sich oft genug in Schwierigkeiten gebracht, indem er die Lehrer nachäffte.
Im Radio des Taxis meldete sich weiterhin ein Fußballexperte nach dem anderen zu Wort und gab seine mehr oder weniger fundierte Meinung zum heutigen Länderspiel ab. Fitzgerald hörte gar nicht hin, verschloß sich gegen die Sprache, die zu beherrschen er wenig Interesse hatte – auch wenn er erst kürzlich seinem beschränkten Wortschatz die Begriffe falta, fuera und gol hinzugefügt hatte.
Als der kleine Fiat siebzehn Minuten später vor dem El Belvedere hielt, gab Fitzgerald dem Fahrer eine Zehntausendpesonote und war aus dem Wagen, ehe der Mann ihm für ein so großzügiges Trinkgeld danken konnte. Nicht daß die Taxifahrer von Bogota die Worte »muchas gracias« allzu häufig in den Mund nähmen.
Fitzgerald rannte die Hoteltreppe hinauf, vorbei am livrierten Portier und durch die Drehtür. Im Foyer eilte er geradewegs zu den Fahrstühlen, die dem Empfangstresen unmittelbar gegenüberlagen. Er brauchte nicht lange zu warten, bis einer der vier Lifts ins Parterre herunterkam. Nachdem die Tür aufgeglitten war, stieg er ein und drückte sogleich auf den Knopf mit der »8« und unmittelbar danach auf den mit der Aufschrift »Schließen«, um niemandem die Gelegenheit zu geben, zu ihm in den Lift zu steigen. Als er im achten Stock zu Zimmer 807 eilte, sanken seine Schuhe in den dichten Teppichboden. Er schob eine Plastikkarte in den Türschlitz und wartete, bis das grüne Licht aufleuchtete, bevor er den Türknauf drehte. Kaum war die Tür offen, hängte er das Schild Favor de no molestar außen an den Knauf; dann schloß er die Tür und verriegelte sie. Er blickte auf sein Handgelenk: dreizehn Uhr sechsunddreißig. Die Polizisten dürften inzwischen die Pfandleihe verlassen haben. Zweifellos gingen sie wieder einmal von einem falschen Alarm aus.
Inzwischen hatten die Beamten Mr. Escobar bestimmt schon in seinem Landhaus angerufen und ihm mitgeteilt, daß offenbar alles in Ordnung war. Aber er möge bitte nachsehen, ob irgend etwas fehle, wenn er am Montag in die Stadt zurückkehre. Falls ja, solle er die policia benachrichtigen. Das einzige, das Escobar am Montag vormittag als gestohlen melden konnte, wurden mehrere Päckchen ungeschliffene Smaragde sein, welche die policia beim Verlassen des Ladens hatte mitgehen lassen. Wie lange wird es dauern, fragte sich Fitzgerald, bis Escobar bemerkt, daß noch etwas anderes fehlt? Einen Tag? Eine Woche? Einen Monat? Fitzgerald hatte bereits beschlossen, Escobar
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