Argemí, Raúl
verkommenen Mund aufmacht, die Farbe wechselt. Eines stimmt natürlich: Man hat selbst noch nie ein Chamäleon gesehen, aber es ist eine hilfreiche Metapher. Schließlich hält man mich für einen Journalisten, also für einen Quell von Gemeinplätzen.
Scheiße. Wem halte ich hier eigentlich einen Vortrag?
Wieso kann ich nicht nachdenken, ohne den Wichtigtuer zu geben? Vielleicht sollte ich eine meiner beiden dicken Zerberusse fragen. Nein, unmöglich …
Ich muss einen klaren Kopf bekommen.
Der Typ im anderen Bett könnte jeder von ihnen sein: Márquez, Cacho, Orlando – oder dieser Doktor Gómez, der plötzlich auf der Bildfläche erschienen ist –, und aus deren Perspektive erzählen, aber er kann ja nicht alle auf einmal sein.
Der Typ, das Chamäleon, hat eine weitere Person in sein Repertoire aufgenommen. Und obwohl er wegen eines angeblichen Selbstmordversuchs von Brandwunden übersät in diesem Bett liegt und die Krankenschwester ihn zu kennen behauptet, teile ich die Zweifel des Polizisten. Dieser Typ kann nicht der geheimnisvolle Indianer sein. Dieser Typ, das Chamäleon, ist Cacho viel näher als jedem anderen.
Allerdings ist es richtig, dass dann ein Großteil der Geschichte nicht mehr stimmt. Zum Henker mit Beelzebub. Aber kein Grund zum Verzweifeln, denn schlimmer kann es sowieso nicht kommen. Wir werden ja sehen … Und dieses verdammte Licht, das mir wie ein Messer in die Augen sticht.
Gómez überprüfte sein Spiegelbild in der Eingangstür des Krankenhauses und kam zu dem Schluss, dass es dem Ort und der Situation entsprach: ein vertrauenswürdiger Mann von unbestimmtem Alter, der mit seinem dunklen Anzug korrekt gekleidet war.
Wie immer drängten sich an der Rezeption Kranke, die verschiedene Grade von Armut aufwiesen. Die Weißkittel legten Aufnahmeformulare auf den Tresen, und hin und wieder befahl ein Witzbold dem Haufen gefängnisartige Stille.
»Guten Tag, Schwester«, grüßte er.
»Guten Tag, Doktor«, bekam er von derselben mechanisch zur Antwort.
Bis jetzt schien alles glattzulaufen. Er hatte gezögert, diesen Schritt zu wagen; aber wenn er es nicht ausprobierte und ein paar Testsprünge machte, würde er nie erfahren, bis zu welchem Punkt das schützende Netz zerstört werden konnte.
Gómez ging an einer doppelten Bankreihe mit Verletzten vorbei, die vor den Behandlungsräumen warteten. Er sah weder nach rechts noch nach links, denn er wusste, dass sie sich wie herrenlose Hunde aufführen würden; beim kleinsten Anzeichen von Aufmerksamkeit würden sie sich an seine Hosenbeine klammern und um Hilfe betteln, und er wollte keine Zeit verschwenden. Zeit war Geld.
Dollars, D-Mark, Rupien oder Guaraní; jede legale Währung wird genommen …, dachte er, um sich Mut zu machen. Wahrscheinlich war es sein letztes Zwischenspiel im Krankenhaus, und er musste die Gelegenheit nutzen.
Als er den großen Saal betrat, sah er neben einem Wandschirm eine Gruppe Personen, die wie Tagelöhner gekleidet waren und mit leiser Stimme sprachen. Eine Alte ließ einen Rosenkranz durch ihre Finger gleiten und bewegte die Lippen in stummem Gebet.
»Jemand liegt im Sterben. Die betroffenen Verwandten … Ein Fall für Pater Carlos. Schade …«
Von der Saalmitte aus bewegte sich eine Krankenschwester auf den Ausgang zu und verteilte die Morgenmedizin. Ohne sie anzuschauen, ging er an ihr vorbei direkt auf die hintersten Betten zu. Wenn es etwas zu erbeuten gab, dann besser weit vom Eingang entfernt.
Ein Mann mittleren Alters mit einem Verband um Brust und Bauch weckte sein Interesse. Sein Blick verriet, dass er zu denen gehörte, die schon verwirrt auf die Welt gekommen waren und niemals rechtzeitig begriffen, was um sie herum vorging. Eine kleine dicke Frau war bei ihm, deren Gesicht so bunt war wie der Katalog eines Eisenwarenhandels.
»Alles in Ordnung?«
»Es tut ganz schön weh«, erwiderte der Mann, während er angestrengt die Stirn runzelte und sich daran zu erinnern versuchte, woher er ihn kannte.
»Sie kommen wegen der Versicherung«, sagte die Frau mit einer Stimme, die perfekt zu ihrem Gesicht passte. Die kleinen, wie scharf geschliffene Steine dreinblickenden Augen bildeten ein Gegengewicht zu den grotesk gezupften und mitten auf die Stirn gemalten Augenbrauen. »Hier sind die Röntgenbilder, die diese Quacksalber von ihm gemacht haben.«
»Ihr Mann ist entweder schon tot oder kuscht den ganzen Tag. Wer der Ärmste wohl sein mochte?«, lächelte Gómez in sich hinein, während er
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