Argemí, Raúl
Sie waren ausdrucksvoll und von der verhaltenen Grazie einer langen Priesterlaufbahn; sie bewegten sich mit der Leichtigkeit eines körperlosen Geistes.
Fünf
Er parkte den Wagen am Straßenrand, dort, wo die Bajada de los Mallines eine scharfe Kurve machte. Er brauchte nicht auszusteigen, um die Spuren zu sehen, die die Bremsen auf dem glatten Fels hinterlassen hatten, doch getrieben von einem Bedürfnis, das sich durch das Gerüttel auf dem Schotter verstärkt hatte, beschloss er, den Wagen trotzdem zu verlassen.
Die Sonne stand im Zenit, und der Himmel war klar. Eine warme Brise wehte von den Bergen herab und wiegte sanft die Kronen der Pinien und Scheinbuchen. Als Stadtmensch hatte er sich noch immer nicht daran gewöhnt, dass außer dem Rauschen des Windes nichts zu hören war. Nicht einmal ein Vogel, und es herrschte eine mörderische Hitze. Doch mit dem Einbruch der Nacht würde die Kälte kommen und wieder für Ausgleich sorgen, sagte er sich zum Trost.
Obwohl er wusste, dass es ein großer Zufall wäre, wenn ausgerechnet jetzt jemand die Straße entlangfahren würde, blickte er sich nach allen Seiten um und öffnete den Reißverschluss, um zu pinkeln.
Ware es ein Fehler, zu riskieren, die Vergangenheit wegen eines simplen Verdachts heraufzubeschwören? Hatte es überhaupt einen Sinn, etwas zu unternehmen wegen eines verschwommenen Schattens, eines schlechten Fotos in einer Tageszeitung, das lediglich seinen Instinkt geweckt hatte? Es würde sich schon klären, egal, welche Konsequenzen das für ihn hätte. Sicher war nur, dass etwas in ihm zu gären begonnen hatte und demnächst der Deckel, der einen Haufen von Schweinereien zudeckte, hochgehen würde.
In fünfzig Metern Tiefe war der Unfallwagen gegen einen Baum geprallt. Dabei hätten alle draufgehen können. Aber einer war noch am Leben. Einer, der eine Menge Glück gehabt hatte.
Er brauchte ein paar Sekunden, bis er das Summen seines Motorola hörte. Er ging ein paar Schritte und schloss ohne Eile den Reißverschluss.
»Ja«, sagte er und hatte das Gerät bereits in der Hand. Die Stimme des anderen hallte, als spräche er durch ein langes Eisenrohr. Es war die Funkzentrale des Reviers, die wissen wollte, ob er auf dem Weg einen weißen Pick-up mit mehreren Insassen gesehen habe.
»Negativ … Ich musste eine Weile hinter einem Holztransporter herfahren und Staub schlucken, ansonsten habe ich nichts gesehen.«
Die blecherne Stimme berichtete von der Fahndung nach dem Fahrzeug und seinen Insassen und bat ihn um erhöhte Aufmerksamkeit.
Der Mann unterdrückte ein Gähnen und versprach lustlos, darauf zu achten. »Einverstanden. Sobald ich etwas entdecke, melde ich mich.«
Mit dem Gefühl, etwas übersehen zu haben, ging er zum Böschungsrand zurück. Ein paar dunkle rechteckige Gegenstände lagen über die Böschung verteilt, es schienen Bücher zu sein. Vorsichtig kletterte er ein Stück hinunter; tatsächlich ein Buch. Eine billige Bibelausgabe der Pfingstler. Wie er von seinem Platz aus feststellen konnte, waren die anderen, die verstreut zwischen den Büschen lagen, identisch.
Nachdem er sich wieder ans Steuer gesetzt hatte, warf er das Buch auf den Rücksitz. Er ließ den Motor an und stellte die Klimaanlage auf die höchste Stufe.
Wenn sie dem Typ gehören, braucht er sie bestimmt, dachte er und nahm sich vor, sich nach dem Überlebenden zu erkundigen.
Sechs
Ich bin stets auf der Hut, aber nur, weil ich es nicht leiden kann, auf dem falschen Fuß erwischt zu werden, wenn etwas Überraschendes geschieht oder der Wind sich dreht. Ich, die ausgebuffte Schnüffelnase, würde meinen letzten Centavo darauf verwetten, dass das Chamäleon sowohl Cacho als auch diverse andere Personen ist: eine Abfolge von Tarnungen, eine endlose Reihe von Kriegsnamen. Aber niemals der Indio Márquez. Und wenn mich mein Instinkt nicht trügt, würde ein Besuch des Bundespolizisten genügen.
Es war Essenszeit; ob mittags oder abends, kann ich noch immer nicht sagen; jedenfalls drang der Geruch nach Krankenhausessen durch die Tür. Ich fühlte mich völlig geschwächt – ich fühle mich sowieso immer schwächer, als würde ich verbluten –, und während der Visite musste ich mich gar nicht verstellen, um die Besorgnis des Arztes zu wecken.
Ich nehme an, es lag daran, dass ich eine ganze Weile erfolglos versucht hatte, zum Nachbarbett hin Köder auszuwerfen. Der Typ machte den Mund nicht auf. Wahrscheinlich hat er einen sechsten Sinn,
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