Argemí, Raúl
doch schnell legte sich das Bild der Familie darüber, eine Mischung aus Bildern und Gerüchen, aus Langeweile und Gezänk.
Dort oben unter den Ästen der Araukarie hatte er sich in Gesellschaft der Ziegen und Hunde stark gefühlt, während er den Flaschen widerstanden und auf ein Himmelszeichen gewartet hatte, damit sich die Dinge änderten. Dort oben hatte er sich wichtig gefühlt, weil er das Buch der Bücher lesen und das Wort des Herrn predigen konnte; aber die Kälte, die er jetzt in sich spürte, machte ihm Angst.
Das Feuer, das ihm alles genommen hatte, war vielleicht das Zeichen, auf das er gewartet hatte; und wenn dem so war, dann war er, Prudencio Márquez, viel zu verblendet, um dessen Bedeutung zu begreifen. Denn das Buch, die Bibel, die der Prediger aus Neuquén ihm überlassen hatte, war auf der Farm mitverbrannt. Plötzlich fühlte er sich vollkommen nackt, wie sich Adam gefühlt haben musste, als er aus dem Paradies vertrieben worden war, dachte er. Der Vergleich gefiel ihm.
Prudencio Márquez riss die Augen auf und versuchte, das Spinnennetz zu zerreißen, mit dem ihn seine wild durcheinander schießenden Gedanken wie Fäden umhüllten. Dann besah er sich die Überreste seiner Ranch.
Er bewegte sich vorsichtig und zornerfüllt, wich hie und da aus oder stieß mit Tritten verkohlte Holzstücke weg, bis er schließlich unter dem Dachfirst stand, der qualmte, wenn der Wind hineinblies. Er blieb dort stehen, genau in der Mitte der Ruine. Er wartete, wartete darauf, dass etwas geschehen mochte.
Da sah er die verbrannten Seiten, die halb verdeckt unter angesengten Holzscheiten lagen.
Es dauerte einen Moment, bis er sie erkannte, denn er glaubte noch immer nicht an eine Offenbarung, doch dann überlief ihn ein Schauer, dass ihm die Zähne klapperten. Es waren Seiten aus seiner Bibel, die nicht verbrannt waren.
Er war unschlüssig, wusste nicht, ob er nicht doch zulassen sollte, dass der Wind sie wegblies.
Doch auf einmal stockte ihm der Atem bei der Erkenntnis, dass weder Feuer sie vernichten noch Wind sie wegtragen würde. Sie warteten auf seine Hände.
»Das hat Gott getan …«, sagte Prudencio Márquez und ging in die Hocke, um zusammenzusammeln, was von seiner Bibel übrig geblieben war, gerade eine Handvoll vom Feuer angesengter Blätter.
Auf einmal wusste er, dass er seine Antwort bekommen hatte. Auf eine schreckliche und schmerzhafte Weise hatte ihm Gott das Zeichen übermittelt. Auf diesen verbliebenen Seiten standen Gegenwart und Zukunft der Márquez geschrieben. Er musste sich hinsetzen und sie lesen. Sie lesen, um zu wissen, welches Opfer Gott von seinen Leuten verlangte.
Ich wurde wütend und verlor die Kontrolle. Ich weiß nicht, warum ich so wütend wurde. Wahrscheinlich, weil ich auf einmal den Eindruck hatte, dass dieser Wurm, das Chamäleon, mich auf den Arm nahm. Ausgerechnet jetzt wollte er mich mit der Geschichte vom Indianer Márquez unterhalten; ich brauchte doch etwas ganz anderes. Also herrschte ich ihn an und nannte ihn Arschloch. Daraufhin begann er - ein armes Schwein, das nicht einmal mehr weiß, wer es ist –, in die richtige Richtung zurückzuspulen. Mein Geschimpfe lockte die Dicke an, die den Polizisten nicht leiden konnte. Sie ging direkt zum Tropf, und mit der Flüssigkeit aus einer Spritze vernebelte sie mit einem Ausdruck sturen Widerwillens mein Bewusstsein.
Cacho stützte den Ellbogen in das geöffnete Seitenfenster und sang voller Inbrunst den Bolero über Liebe und Tod, eine Melodie, die von seiner schlechten Intonation und dem aufkommenden Wind verzerrt wurde, während der Pick-up über die Straße glitt. Er fühlte sich quicklebendig und siegesgewiss an diesem einsamen Morgen.
Neuquén lag weit, weit hinter ihm. Und die Straße, die in sanften Wellen durch die Wüste führte, trug ihn zum besten Versteck, das er sich im Moment denken konnte: zur Quebrada Luán, der Farm der Márquez.
Er hatte bereits einen Preis – einen sehr guten sogar – für das festgelegt, was er ihnen für die gewebte Ware zahlen würde, die er bereits vor ein paar Jahren mitgenommen hatte, als er den alten Márquez zum Laienprediger gemacht hatte. Wenn er sie dann noch zwei-, dreimal am Tag zum Gebet um sich versammeln würde, wäre die Sache geritzt. Diese Leute, die sich von ihrem eigenen Volk, den Indianern, abgewandt hatten und voller Stolz einen europäischen Namen trugen, waren wie Bettler für jedes Zeichen der Anerkennung dankbar.
Es würde eine Weile
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