Argemí, Raúl
zum Vorschein bringen würde. Ohne die nach Kloake stinkenden Kapuzenträger und ohne diesen Idioten Orlando, der sich mit seinem Klingeln dazwischengedrängt hatte.
»Du musst mir helfen, Cacho! Gib mir was, Cacho; ich sterbe, mein Bruder«, hatte dieser fast geschrien, während er sich an den Briefschlitz geklammert hatte.
Sein erster Impuls war gewesen, ihn seinem Schicksal zu überlassen. Doch der Mann vor der Tür hatte ein seltsames Geräusch gemacht – ein dünnes Jaulen wie das eines Welpen, der einen Tritt in die Flanke bekommt – und war zu Boden gesunken. Ihm war keine andere Wahl geblieben. Er konnte ihn nicht auf dem Bürgersteig liegen lassen, nicht dass er dort so kurz vor Tagesanbruch abkratzte oder Schlimmeres gar.
»Cacho, du bist doch Arzt! Lass mich nicht im Stich, Cacho! Sie haben mich gezwungen, mein Bruder«, heulte Orlando ganz plötzlich und bekam einen Schluckauf, dessen kurzes und hohes Glucksen um diese Zeit einen Toten hätte wecken können.
Er ging zurück in den Innenhof und stellte den Gartensprenger ab. Sein Kunde, auf allen vieren über einer großen Pfütze, gluckste vor sich hin, das Haar nass von der kalten Dusche und völlig außer sich. Es roch bereits nach Friedhof.
Cacho ging vor dem Mann in die Hocke, zog ihn am Hemdkragen ein Stück hoch und fing an, ihn zu ohrfeigen. Es waren methodische, geübte Schläge, die immer schneller aufeinander folgten, den anderen zum Verstummen brachten und in seinen Augen Angst und Verstehen aufblitzen ließen.
»Was hast du ihnen erzählt, Orlando? Sag mir die Wahrheit, oder ich lasse dich wie einen Hund krepieren.«
»Nein, ich wollte nicht …«
»Scheiße …«, sagte er, ohne sich aus der Ruhe bringen zu lassen, und verstärkte die Wucht seiner Schläge, die im Innenhof wie der feuchte Applaus einer obszönen Party klangen. »Scheiße …«
»Du bist Gómez … sie wissen, dass du es bist. Sie wussten es bereits! Sie haben mich geschlagen, aber sie wussten es bereits …«
»Was noch? Sag mir, was sie vorhaben, du miese Kröte«, befahl er und ließ ihn einen Moment verschnaufen.
Wenn er Orlando zu sehr zusetzte, würde er ihm vorzeitig wegsterben. Es war kein Arzt nötig, um festzustellen, dass Orlandos Leben keinen Centavo mehr wert war.
Er ließ ihn ein wenig Luft holen und beschränkte sich darauf, ihm mit vereinzelten Schlägen auf die Sprünge zu helfen, doch was er dem Dealer entlocken konnte, war ernüchternd.
Wegen irgendeiner Rechnung, die der Besitzer des Tanzschuppens zu begleichen hatte, hatten ihn die Polizisten in die Mangel genommen. Dann, nachdem sie ihn hatten laufen lassen, hatte sich der Idiot aus lauter Verzweiflung und Dummheit mit Drogen vollgepumpt. Die Folgen waren unübersehbar; er hatte sich miserabel gefühlt, und ihm war nichts Besseres eingefallen, als Hilfe bei einem falschen Arzt zu suchen.
»Schwachkopf«, knurrte Cacho und ließ den Dealer, der nach hinten kippte, allein. Sein Kopf schlug wie ein überreifer Kürbis auf den Fliesen auf.
In der Küche war der Kaffee übergekocht und hatte die Flamme gelöscht. Es war eine Riesenschweinerei. Er verspürte das übermächtige Bedürfnis, zu den Beruhigungspillen zu greifen, die in der Tasche seiner Dschellaba steckten, doch er zwang sich stattdessen, tief durchzuatmen.
»Ich muss meine fünf Sinne beisammenhalten, auch wenn’s unangenehm ist«, presste er zwischen den Zähnen hervor.
Ein paar Minuten und viele Atemzüge später hörten seine Hände endlich auf zu zittern. Er spülte die Kaffeekanne, füllte sie mit Wasser und Kaffee und zündete die Gasflamme wieder an.
Als der Sud fertig war, fühlte er sich dazu in der Lage, in seine Tasche zu fassen, die Tabletten herauszuholen und sie weit weg unter die Anrichte zu schleudern.
Er trank Kaffee und verbrannte sich beinahe die Zunge, während er auf die starke Wirkung achtete, die der Kaffee auf seinen Körper hatte.
Dann versicherte er sich, dass er die Schlüssel zu der Tür, die zum alten Laden führte, bei sich hatte, und kehrte erneut in den Innenhof zurück.
Orlando hatte alle viere von sich gestreckt und atmete schwach.
Cacho packte ihn an den Schultern und schleifte ihn über den Boden; Orlando verlor seine Schuhe, einen im Innenhof, den anderen im Flur.
Der Ammoniakgeruch des Guanos weckte ihn.
Oben, an den Trägerbalken des Dachs, protestierten Tausende Fledermäuse, die bei Sonnenaufgang in ihren Schlupfwinkel zurückgekehrt waren, gegen die Störung. Unten überzogen die
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