Armageddon 01 - Die unbekannte Macht
das in roten Schatten liegende Herrenhaus schleichen könnte, um bei ihm zu sein, nur um ihn zusammen mit ihrer Mutter zu erwischen, verlieh ihrem Beischlaf eine Würze, die Marjorie vollkommen erschöpft und auf das Wunderbarste befriedigt zurückließ.
Beim Frühstück am nächsten Morgen verkündete Louise mit leuchtenden Augen, daß sie Joshua gerne durch die Rosengärten des Bezirks führen würde, damit er zusehen konnte, wie die Kisten für den neuen Jahrgang Norfolk Tears vorbereitet wurden. Grant erklärte die Idee für großartig und kicherte leise in sich hinein, weil sein Engelchen zum ersten Mal einen Jungmädchenschwarm gefunden zu haben schien.
Joshua lächelte neutral und dankte ihr dafür, daß sie sich so aufmerksam um ihn kümmerte. Bis zum Mittsommer waren es noch drei Tage.
Auf Cricklade genau wie überall auf Norfolk wurde der Anbruch des Mittsommertages mit einer kleinen Zeremonie gefeiert. Die Kavanaghs, der Vikar von Colsterworth, das Personal von Cricklade Manor, die Vorarbeiter des Gutes und Vertreter der Rosenarbeiter versammelten sich gegen Ende des Duke-Tages in dem Rosenhain, der Cricklade Manor am nächsten gelegen war. Joshua und Dahybi wurden eingeladen, an der Zeremonie teilzunehmen, und sie standen ganz vorn in der Gruppe von Menschen, die sich innerhalb der zerfallenen Steinmauern versammelte.
Vor ihnen erstreckte sich Reihe um Reihe weinender Rosen: Blüten und Sammelbecher einem verblassenden azurblauen Himmel entgegengestreckt und vollkommen bewegungslos in der stillen Luft des Abends. Die Zeit selbst schien den Atem anzuhalten.
Duke sank unter den westlichen Horizont, eine dünne Sichel aus fiebrigem Orange, und mit ihm verschwand das Licht von der Welt. Der Vikar in seiner einfachen Soutane breitete die Arme aus und bat um Ruhe. Er wandte sich nach Osten. Wie auf ein geheimes Zeichen hin breitete sich ein wäßriges Pink am Horizont aus.
Ein Seufzen ging durch die Gruppe.
Selbst Joshua war beeindruckt. Am vorangegangenen Abend hatte die Dunkelheit nur zwei Minuten gedauert. Jetzt würde es einen ganzen siderischen Tag lang keine Dunkelheit geben: die Duchess-Nacht würde nahtlos in den Duke-Tag übergehen.
Erst am Ende der folgenden Duchess-Nacht würden die Sterne wieder für eine kurze Minute am Himmel leuchten. Und danach würden sich die beiden Sonnen an den Abenden überlappen, und die morgendliche Dunkelheit würde länger und länger dauern und sich in die Duchess-Nacht erstrecken, bis Norfolk die untergeordnete Konjunktion erreicht hatte und nur noch Duke am Himmel zu sehen war: Mittwinter.
Der Vikar führte seine Herde durch eine kurze Erntedankmesse. Jedermann kannte die Worte und leise, murmelnde Stimmen vereinigten sich zu Gebeten und Psalmen, die über den gesamten Hain hinweg zu hören waren. Joshua fühlte sich fehl am Platz. Der Gottesdienst endete mit einem Lied. Wenigstens das hatte seine neurale Nanonik im Speicher, und er sang aus Leibeskräften mit, überrascht, wie gut es sich anfühlte.
Nach dem Gottesdienst führte Grant Kavanagh seine Familie und die gekommenen Freunde zwischen den langen Reihen von Rosen umher. Er berührte die verschiedensten Blüten, prüfte ihr Gewicht, rieb die Blütenblätter zwischen Daumen und Zeigefinger und prüfte die Festigkeit des Gewebes.
»Riechen Sie mal«, sagte er zu Joshua und reichte ihm ein Blütenblatt, das er soeben gepflückt hatte. »Das wird ein guter Jahrgang. Nicht so gut wie vor fünf Jahren, aber weit über dem Durchschnitt.«
Joshua hielt das Blatt unter die Nase und sog prüfend die Luft ein.
Es war ein sehr schwacher Duft, aber er erkannte ihn dennoch: er war ganz ähnlich dem Geruch, der an dem Korkstopfen haftete, wenn man eine Flasche Norfolk Tears geöffnet hatte. »Und am Geruch erkennen Sie, wie der Jahrgang wird?« fragte Joshua.
Grant legte seinen Arm um Louise, und sie schlenderten durch den Gang zwischen den Reihen. »Ganz genau«, antwortete er. »Ich kann es. Mister Butterworth kann es. Die Hälfte unserer Arbeiter kann es. Man braucht lediglich Erfahrung dazu, das ist alles. Und um diese Erfahrung zu sammeln, muß man eine ganze Reihe von Sommern bei der Ernte dabei sein.« Er grinste breit. »Aber vielleicht werden Sie das ja, Joshua. Ich bin sicher, daß Louise Sie bitten wird wiederzukommen, wenn es sonst niemand tut.«
Genevieve brach in lautes Kichern aus.
Louise lief puterrot an. »Daddy!« Sie schlug nach seinem Arm.
Joshua lächelte unverbindlich und wandte
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