0004 - Damona, Dienerin des Satans
Hundertzwanzig Minuten saß Ernest de Lorca bereits in seinem Wagen. Und ebenso lange hielt er die Waffe in seiner rechten Hand. Sein Innerstes war völlig in Aufruhr.
Er stand vor seinem ersten Mord, das Gewissen plagte ihn, er sah sich schon in einer Zelle, belacht und verachtet von Verwandten und Freunden.
Mord?
War es überhaupt Mord, wenn er seine Frau erschoß? War es nicht vielmehr eine zwingende Notwendigkeit? Seine Frau war eine Hexe, sie hatte die Zwillinge in ihren Bann gezogen, und wenn er an die Messen dachte, die die Frauen gefeiert hatten…
Ernest de Lorca schüttelte den Kopf. Für ihn war es kein Mord. Er sah auf seine Uhr.
Noch dreißig Minuten bis Mitternacht. Genau um null Uhr sollte es geschehen.
Dann wollte er mit einer Kugel alles ins Lot bringen.
Eine Zigarette.
Die wievielte eigentlich? Die Finger, die das Streichholz hielten, zitterten. Die Unruhe fraß in ihm wie ein Raubtier.
De Lorca kurbelte die Scheibe herunter. Nur träge zog der Rauch ab. Feuchtigkeit drang in den Wagen. De Lorca hustete. Sein braunes Haar klebte auf dem Kopf. Der Regenmantel war zerknittert. Die Pistole umklammerte er immer noch mit seiner rechten Hand.
Der Regen rauschte unablässig. Wasserströme gurgelten die Rinnsteine hinab, die Gullys konnten kaum alles fassen. Im tiefer gelegenen Teil des Ortes stand das Wasser sicherlich schon kniehoch auf den Straßen. Das alles kümmerte Ernest de Lorca nicht. Er hatte andere Probleme.
Das Bild seiner Frau tauchte vor de Lorcas geistigem Auge auf. Lucille war eine Schönheit. Trotz ihrer vierzig Jahre. Rotes, lockiges Haar berührte die Schultern, die Gesichtshaut war makellos weiß, doch in ihren Augen glühte ein unheiliges Feuer.
Ernest de Lorca fröstelte, wenn er daran dachte.
Er drückte die Zigarette aus. Der Ascher quoll fast über.
Noch fünfzehn Minuten.
Ein Wagen fuhr die Straße herauf. Die Scheinwerfer wirkten wie geisterhaft helle Flecken.
Der Wagen rauschte vorbei. Wasserfontänen klatschten gegen den Morris.
Ernest de Lorca räusperte sich die Kehle frei. Seine linke Hand tastete zum Türhebel. Tief atmete er durch, dann schob er die Pistole in seine rechte Manteltasche und stieg aus.
Das dumpfe Geräusch der ins Schloß fallenden Wagentür wurde vom prasselnden Regen verschluckt.
Im Nu war Ernest de Lorca naß bis auf die Haut.
Das Haus stand etwas versetzt. Ernest de Lorca mußte einen verwilderten Vorgarten durchqueren. Die Blätter der Büsche bogen sich unter der Nässe und glänzten wie poliert.
Wie oft war Ernest de Lorca diesen Weg schon gegangen. Und jetzt ging er ihn mit dem festen Vorsatz, seine Frau zu töten.
Zur Haustür führten vier Steinstufen hoch. In den Ritzen wuchs Moos.
Ernest hatte einen Schlüssel. Er nestelte ihn aus seiner Hosentasche und schloß auf.
Ein Hausflur – dunkel, muffig riechend.
Wie ich diesen Geruch hasse, dachte de Lorca.
Er brauchte kein Licht. Er kannte sich ja aus.
Er ging bis zur Treppe, blieb vor der ersten Stufe stehen. Von seinem Mantel tropfte das Wasser, bildete eine Lache auf dem Steinfußboden. Ernest de Lorca beachtete es nicht.
Es war still im Haus. Eine trügerische Stille, in der die Gefahr lauerte.
»Lucille de Lorca«, flüsterte Ernest mit bebenden Lippen. »Bald bist du beim Teufel!«
Er stieg die Stufen hoch. Auf Zehenspitzen, um sich nicht durch ein Geräusch zu verraten. Der Stoff seines Mantels raschelte. Er zog das Kleidungsstück vorsichtig aus, ließ es auf die Stufen gleiten.
Dann stand er in der ersten Etage. Darüber lag nur noch der Speicher.
Ein dunkler Gang. Links Fenster, rechts Türen. Regentropfen klatschten gegen die Scheibe. Feuchtigkeit nistete in allen Ecken.
Ernest de Lorca hatte die Pistole in die Hosentasche gesteckt. Sie beulte die Tasche aus.
Er schlich leise weiter.
Vor der zweiten Tür blieb er stehen.
Sie führte in das Schlafzimmer. In das Schlafzimmer, das er so viele Jahre mit Lucille geteilt hatte.
Ernest de Lorca preßte die Lippen so hart aufeinander, daß sie nur noch einen schmalen Strich bildeten. Seine schweißfeuchte Hand berührte das kalte Metall der Klinke.
Ernest de Lorca atmete tief ein, öffnete die Tür.
Licht. Warm, anheimelnd.
Lucille de Lorca fuhr im Bett hoch. Sie hatte noch nicht geschlafen.
Ernest schloß die Tür und lehnte sich mit dem Rücken gegen das Holz.
Lucille saß hochaufgerichtet im Bett und blickte ihm entgegen. Ernest trank das Bild förmlich in sich hinein.
Diese wunderbaren Haare, das
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