Die Vampir-Brüder
Den Film kannte er. Und was die beiden Rollen gespeichert hatten, das war ungeheuerlich. Er konnte sich noch immer nicht damit abfinden, musste sich allerdings eingestehen, dass er keine Erklärung dafür fand und deshalb auf einen Fachmann warten musste, den er schon seit einigen Jahren kannte.
Mittlerweile arbeitete Luke Dolan offiziell nicht mehr, aber einer wie er konnte einfach nicht in Pension gehen. Dazu war er viel zu neugierig auf die Welt.
Dolan war über sechzig, aber er sah um zehn Jahre jünger aus. Trotz des grauen Haars, das er sehr kurz geschnitten hatte und ihn aussehen ließ wie einen Offizier.
Dolan ließ den Film jetzt normal weiterlaufen. Im Prinzip änderte sich nicht viel. Wieder war der Strand zu sehen und auch die dunklen Wolken am Himmel, die allerdings noch keine direkte Dunkelheit brachten, sondern mehr ein Zwielicht schufen, das die Umgebung des Strands und auch das anrollende Wasser ungewöhnlich klar hervortreten ließ.
Dolan spürte wieder das Kribbeln. Bald kam die Stelle. Er merkte, dass die Nervosität anstieg. In diesen Situationen griff er stets zu einem Kaugummi, was er auch jetzt tat. Er steckte es zwischen die Lippen und begann langsam zu kauen, während sich der Pfefferminzgeschmack in seinem Mund ausbreitete.
Sehr klar zeigte sich der feine Sand auf dem Film. Viele Einzelheiten traten hervor. Einige kleine Hügel. Grasbüschel, sogar etwas Treibgut und zwei Vogel-Skelette.
Plötzlich war es so weit!
Dolan merkte den Schuss, der ihn durchfuhr. Die nächsten Aufnahmen waren mit dem Zoom gefilmt worden, und der Mann ließ den Film im Zeitlupentempo laufen.
Sein Blick war gespannt auf den Strand gerichtet, als gäbe es dort etwas ungemein Tolles zu sehen.
Ein Fremder hätte sich über das Verhalten des Mannes sicherlich amüsiert, denn für ihn wäre am auslaufenden Wasser nichts zu sehen gewesen, was nicht der Normalität entsprochen hätte.
Tatsächlich nichts?
Luke Dolan beugte sich vor. Seine Augen waren noch gut. Er benötigte keine Brille. Er hielt alles unter Kontrolle. Und dann war es zu sehen.
Luke Dolan stöhnte auf. Er hatte die Szene schon oft genug gesehen, aber sie war für ihn immer wieder etwas Besonderes und auch unerklärlich.
Im Sand malten sich Fußabdrücke ab!
Sie waren nicht nur vorhanden, sie bewegten sich auch. Jemand war da, der durch den Sand ging und dort seine Spuren hinterließ.
Vier Abdrücke – zwei Personen also!
Aber es war niemand zu sehen. Zwei Unsichtbare schienen dort zu wandern. Es war genau zu verfolgen. Sie gingen nebeneinander her, und nur ihre Fußabdrücke malten sich im Sand ab.
Vier Mal!
Verrückt!
Luke Dolan schluckte. Plötzlich kam er sich in seinem Keller wie in einem Gefängnis vor. Hinter seiner Stirn tuckerte es. Jetzt hatte er den Film schon verdammt oft angeschaut und auch immer das Gleiche gesehen, aber es war ihm unmöglich, darüber hinwegzukommen.
Das gab es nicht. Das war nicht erklärbar. Menschen können nicht unsichtbar sein, auch wenn in der letzten Zeit immer wieder darüber diskutiert wurde.
Das war hier auf dem Film auch nicht so unsichtbar, wie man es sich vorstellte. Es gab da noch ein Problem, und das sah der Mann, wenn er genauer hinschaute.
Schatten!
Zwei seichte, in die Höhe gereckte Schatten, die sich zusammen mit den Fußabdrücken bewegten. Es war deutlich zu sehen, wie der Sand leicht eingedrückt wurde, und genau an diesen Stellen malten sich die beiden Schatten ab.
Dolan schluckte und flüsterte Worte vor sich hin, die er selbst nicht verstand. Es war ein Durcheinander. Er ging näher auf die hochgezogene Leinwand zu. Alte Super Acht-Filme sah heutzutage kein Mensch mehr, und es war auch nicht seine Art. Er hatte den Film zufällig entdeckt, weil er sich dafür interessierte.
Die Spulen bewegten sich. Die Schleifgeräusche störten ihn jetzt nicht mehr, weil er sich voll und ganz auf das Bild konzentrierte.
Das war Wahnsinn!
Da gingen zwei Personen her, die nicht ganz unsichtbar geworden waren. Körnige Schatten schwebten über dem Strand, und die Spuren blieben. Die Person, die sie gefilmt hatte, war nicht so schnell verschwunden. Dolan konnte sich vorstellen, dass auch sie von diesem Phänomen überrascht gewesen war.
Wieder schoss ihm durch den Kopf, dass der Film mindestens 30 Jahre alt war, wenn nicht älter. Er wusste sehr genau, wie lange er die Abdrücke verfolgen konnte.
Wenn sich die Umgebung änderte und die ersten Dünen in die Höhe wuchsen, dann waren sie
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