Armageddon 06 - Der nackte Gott
sich Capones Organisation vom Hals zu schaffen. Der Präsident wird eine Minderheit opfern, um die Mehrheit zu retten. Nicht, daß die Geschichte ihn dafür in freundlicher Erinnerung behalten würde, aber ich vermute, die Überlebenden in den anderen Arkologien werden ihm insgeheim danken.«
»Das mußt du verhindern, Charlie! In London leben mehr Menschen als auf ganz Norfolk. Du kannst es doch aufhalten, Charlie, nicht wahr? B7 darf nicht zulassen, daß sie alle sterben! Ihr seid die wirklichen Herrscher der Erde. Das hast du selbst gesagt.«
»Wir können die Befehle für ein paar Stunden verzögern, allerhöchstens. Die Befehlsschaltkreise zum Absturz bringen, die Offiziere im strategischen Verteidigungszentrum dazu bringen, daß sie ihre Befehle verweigern. Aber letzten Endes wird der direkte Befehl des Präsidenten durchkommen und ausgeführt. Die Plattformen werden mit Gammalasern auf die Arkologien schießen, und jede lebende Zelle im Innern wird ausgelöscht.«
»Nein! Du mußt sie daran hindern!«
»Louise, mach, daß du in eine der äußeren Kuppeln kommst. Du hast den Erinnerungslöscher. Du kannst ihn gegen jeden einsetzen, der dich aufzuhalten versucht.«
»Nein!« rief sie laut, und ihre Hand krachte auf den Tisch, daß die Tabletts und Gläser tanzten. »Nein, nein, nein!« Sie hob den Kommunikationsblock hoch und schleuderte ihn gegen die Wand. Das Gehäuse zerbrach, und Plastiksplitter segelten durch das Zimmer. »Nein, das werde ich nicht!«
Andy saß reglos in seinem Stuhl und starrte Louise entgeistert an. Sie wirbelte zu ihm herum. »Sie wollen alle umbringen! Der Präsident will die strategischen Waffen auf die Arkologie richten!«
Er stand auf und nahm sie in die Arme, um das wütende Zittern zu dämpfen. Selbst barfuß war sie einen halben Kopf größer als er, und er mußte zu ihr aufblicken, um die Bestürzung und Wut in ihren Augen zu sehen.
»Wir müssen ihn aufhalten«, sagte sie.
»Den Präsidenten?«
»Nein, Dexter!«
»Den Besessenen? Den Irren?«
»Ja.«
»Aber wie?«
»Das weiß ich nicht. Wir müssen es ihm sagen. Ihn warnen! Ihn dazu bringen, daß er die rote Wolke verschwinden läßt! Er muß doch wissen, daß er ohne seine Anhänger ein Niemand ist.«
»Und was dann?«
»Das weiß ich doch nicht!« brüllte sie. »Aber wenigstens verhindern wir dadurch, daß jeder getötet wird! Ist das denn gar nichts?«
»D … doch«, stammelte er.
Sie ging zu ihrem Kleiderstapel und kramte den Erinnerungslöscher hervor. »Wo sind meine Schuhe?«
Andy warf einen Blick auf das glatte schwarze Rohr, das sie mit solcher Entschlossenheit schwenkte, und ihm wurde bewußt, wie ernst es ihr war. Sein erster Gedanke war, die Tür abzusperren, sie am Weggehen zu hindern. Aber selbst dazu hatte er zuviel Angst. »Geh nicht weg von hier.«
»Ich muß!« giftete sie zurück. »Keines von diesen Monstern kümmert sich einen Dreck um die Menschen!«
Andy sank auf die Knie. »Louise, ich flehe dich an, geh nicht. Sie werden dich fangen. Sie werden dich foltern!«
»Nicht lange. Vergiß nicht, wir sterben alle.« Sie schob ihren Fuß in einen Schuh und befestigte die Riemen.
»Louise! Bitte!«
»Was ist, kommst du mit?«
»Das ist London da draußen!« sagte er und winkte mit dem Arm in Richtung Fenster. »Du brauchst Stunden, um jemanden zu finden! Es ist unmöglich! Bleib hier. Wir werden gar nicht merken, wenn es soweit ist. Diese strategischen Waffen im Orbit sind unglaublich machtvoll.«
Sie funkelte ihn an. »Andy, hast du denn überhaupt keine Nachrichten gesehen? Du besitzt eine Seele! Du wirst ganz genau merken, wenn es geschieht, und die Chancen stehen gar nicht schlecht, daß du im Jenseits wieder zu dir kommst.«
»Ich kann nicht da raus!« stöhnte er. »Nicht dorthin, wo sie sind! Geh nicht!«
Louise schlüpfte in ihren zweiten Schuh. »Nun, ich bleibe jedenfalls nicht hier.«
Andy blickte zu ihr auf, als sie über ihm stand. Groß, wunderschön und entschlossen. Unglaublich verehrungswürdig. Er hatte die ganze Nacht Liebe mit ihr gemacht, seinen Körper mit einer gefährlichen Überdosis Stim-Programmen gepeinigt, um sie voll und ganz zu überwältigen, und es bedeutete ihr gar nichts. Sie würde niemals ihm gehören, und jetzt erst recht nicht, nachdem sie den wirklichen Andy Behoo gesehen hatte. Sie war weiter von ihm entfernt, als sie es gewesen war, bevor er wußte, daß es sie gab.
Er wischte sich mit der Hand über die Nase in dem Versuch, sein Schniefen
Weitere Kostenlose Bücher