Arme Milliardäre!: Der große Bluff oder Wie die amerikanische Rechte aus der Krise Kapital schlägt
als Kritik der britischen Politik gemeint war, als eine Warnung, dass die sozialistischen Bestrebungen der Labour Party letztlich in ein totalitäres System münden könnten. Wie im Laufe der Jahre viele Kritiker bemängelt haben, ist die größte Schwäche von Hayeks Buchs allerdings, dass seine wesentliche Vorhersage nie eintrat. Zwar schwenkte Großbritannien nach dem Krieg voller Begeisterung nach links, allerdings wurden die Meinungs-, Versammlungs-, Pressefreiheit etc. dort nie eingeschränkt. Und in den Siebzigerjahren legte das Land sogar eine Kehrtwende in Richtung freie Marktwirtschaft hin.
Glenn Beck jedoch blendete all das aus – einzig und allein, weil eine von ihm geschätzte politische Spekulation von anno 1944 etwas anderes vorhersagte. Die Märkte müssten frei sein, sonst würden auch andere Freiheiten verschwinden, hatte Hayek argumentiert. Diese Logik weiterzudenken war ganz einfach: Da nach dem Krieg die Märkte nicht frei waren, musste die Freiheit gänzlich aus dem Vereinigten Königreich verschwunden sein – und generell aus Europa, sodass der ganze Kontinent traurigerweise nie etwas von »wahrer Freiheit« erfuhr.
Ich zitiere hier den Wirrkopf Beck noch ein letztes Mal, weil mich seine beiläufige Geschichtsverdrehung so an die Linken der Dreißigerjahre und an ihre Russlandreisen erinnerte. Sie sahen in der Sowjetunion die Freiheit – weil sie sie sehen wollten. Beck wiederum sieht in England die Unfreiheit – weil es seiner Auffassung nach dortso aussehen muss. Der gute alte »Wille zum Glauben« setzt sich eben stets unbekümmert über alle Realität hinweg.
Wenn man erst einmal danach zu suchen beginnt, entdeckt man diesen intransigenten Idealismus bei der neuen Rechten überall. Da ist zum Beispiel Rick Perry, kurze Zeit aussichtsreichster Bewerber um die Präsidentschaftskandidatur der Republikaner, der in seinem Buch
Fed Up!
vor allem monierte, die Amerikaner litten unter »zu hohen Steuern und zu viel Regulierung«. Die Wirtschaftskrise ist ihm Anlass, über frühere schlechte Zeiten nachzudenken. Er kommt zu dem Schluss, dass wir unsere Einschätzung der Vergangenheit überdenken müssen. Die verbreitete Ansicht über die Dreißigerjahre – dass der Staat Wirtschaftskrisen lösen könne – erklärt der Gouverneur zu »Betrug« und »Mythos«. Perry musste allerdings nicht lange grübeln oder Bücher wälzen, um zu dieser gewagten These zu kommen. Dass der New Deal ein Fehlschlag war, offenbarte sich ihm, wie er schreibt, »in den Achtzigerjahren, als ich erlebte, wie Ronald Reagan Marktreformen in Gang brachte, die uns wirklich aus dem ökonomischen Schlamassel führten«. Nach diesem Erweckungserlebnis, das ihm die plötzliche Einsicht bescherte, »Marktreformen« böten die einzige reale Chance, die Probleme schlechter Zeiten zu lösen, entwickelte Perry auch eine Begabung, feine Muster in der Geschichte zu erkennen, die der Aufmerksamkeit der realitätsblinden Welt bisher entgangen sind. So weiß er uns zu offenbaren, dass die Große Depression erst »mit Beginn des Zweiten Weltkriegs endete, als Roosevelt sich schließlich durchrang, die Privatwirtschaft von der Leine zu lassen« – eine erstaunliche Beschreibung der Rationierungen und Preiskontrollen der bürokratischen Kriegswirtschaft.
Senator Jim DeMint, ebenfalls ein Republikaner aus dem Süden, zieht aus ähnlichen Erwägungen vergleichbar falsche Schlussfolgerungen. In seinem 2009 erschienenen Bestseller
Saving Freedom: We Can Stop America’s Slide Into Socialism
erzählt er uns, die Länder Westeuropas seien nach dem Zweiten Weltkrieg dem »Sirenengesang des Sozialismus« erlegen und bald darauf »in wirtschaftliche Stagnation verfallen«. [12] Das ist natürlich so falsch wie Rick Perrys Bemerkungenzum Zweiten Weltkrieg. Der Blick in ein Geschichtsbuch lehrt, dass es gerade jene ersten Jahre nach dem Krieg waren, in denen Frankreich, Italien, Belgien und Schweden – allesamt von DeMint als Beispiele für Länder angeführt, die nach dem Krieg dem »Sozialismus« verfielen – ihren größten wirtschaftlichen Aufschwung in modernen Zeiten erlebten. Den theoretischen Leitlinien von Senator DeMint zufolge konnte das jedoch gar nicht sein: Sozialismus führt unweigerlich zu Stagnation, und daher brachte der Sozialismus Stagnation hervor.
Von der ersten bis zur letzten Seite seines Bestsellers stützt der Senator sein Anliegen nicht auf Darlegungen und Beweisführungen im herkömmlichen Sinne, sondern durch ein
Weitere Kostenlose Bücher