Arme Milliardäre!: Der große Bluff oder Wie die amerikanische Rechte aus der Krise Kapital schlägt
Dreißigerjahre – größtenteils Kommunisten und ihre Fellow Travelers. Ihre Denkart scheint mir ganz ähnlich gewesen zu sein wie die der Blogs lesenden Rebellen der zeitgenössischen Rechten.
Am deutlichsten zeigt Kempton dies in einer biografischen Skizze über J.B. Matthews, einen Linksradikalen der Dreißigerjahre, der in den Fünfzigerjahren zum regelrechten Kommunistenfresser mutierteund beide Rollen mit dem gleichen missionarischen Eifer, der gleichen Engstirnigkeit und der »einzigartigen Fähigkeit« ausübte, »stets sofort alles zu wissen, ohne von irgendetwas eine Ahnung zu haben«. [4]
»Matthews sah, was er sehen wollte, und hatte kein Bedürfnis, sich Wissen aus Büchern anzueignen«, so Kempton. Wie viele andere unternahm auch Matthews damals eine Pilgerreise in die UdSSR. Während einer dieser Reisen sah einer seiner Kollegen mit eigenen Augen die große Katastrophe, die sich gerade in der Ukraine abspielte: die von Menschenhand ausgelöste Hungersnot von 1932. Matthews reagierte folgendermaßen auf diese beschämende Situation: Er »beharrte darauf, das könne nicht sein. Und überhaupt: Man schaue sich Indien an. Er verstand es gut, sich vor unangenehmen Wahrheiten zu schützen.« [5]
So war es bei vielen seiner Genossen. Ja, bei so vielen, dass die hartnäckige Blindheit jener Amerikaner, die während der Weltwirtschaftskrise die Sowjetunion besuchten, schließlich zu einem Standardthema der Geschichtsschreibung über die Dreißigerjahre wurde. Ein Linker nach dem anderen machte sich auf den Großen Treck, und selbst die Scharfsinnigsten schafften es, zu übersehen, was mit der sowjetischen Bevölkerung tatsächlich geschah. Angesichts der unbekümmerten Berichte dieser unbedarften Touristen staunte der Schriftsteller Harvey Swados viele Jahre später darüber, dass »der Wille, etwas zu glauben, oft den Sieg über das davontrug, was man mit eigenen Augen sah«. [6]
Möglich wurde das, so Swados weiter, da die Dreißigerjahre eine Zeit des »intransigenten Idealismus« gewesen seien. Kein Bericht aus der Außenwelt konnte der Gewissheit der Gläubigen etwas anhaben (bis es schließlich 1939 zum Hitler-Stalin-Pakt kam). Malcolm Cowley, ein damals berühmter Literaturkritiker, drückte es ein wenig anders aus: Es sei ein »Zeitalter des Glaubens« gewesen. Da die gesellschaftlichen Traditionen zerbrachen, meinten die Menschen, sich in Vorbereitung des baldigen Endkampfs zwischen ideologischen Systemen auf die eine oder die andere Seite schlagen zu müssen.Man sah »entweder Licht oder Dunkelheit, aber nichts dazwischen«. [7]
Und so unterwarf sich eine ganze Generation von Denkern der Gefolgschaft einer Clique politischer Betrüger. Sie redeten sich ein, die Gesetze der Geschichte seien gleichförmig, berechen- und vorhersagbar und stünden einem fernen sowjetischen Generalissimus vollkommen zu Gebote. »Sie machten sich als Erlöser auf und endeten als Hilfspolizisten«, klagte Murray Kempton. Sie schlossen einander aufgrund theoretischer Nichtigkeiten aus ihren winzigen marxistischen Konklaven aus und erwarteten ganz im Ernst, dass die Welt eines Tages in ihre Richtung marschieren würde. Und sie schulten sich darin, scheußliche, schablonenhafte Kunst hervorzubringen. [8]
Es war dies allerdings kein Übel, das auf die Linke beschränkt war. Es gab davon auch eine kapitalistische Variante: die Doktrin des Positiven Denkens, die ebenso vehement idealistisch und ebenso realitätsblind war wie der »Wille zum Glauben« der Kommunisten. Es war das »Zeitalter des Glaubens« – ob man nun proletarische Prosa schrieb oder Verkaufserfolge erzielte, indem man sich eine positive geistige Grundhaltung zulegte. Beide Unterfangen machten es erforderlich, den eigenen Geist zu kontrollieren, um Einflüsse von außen filtern zu können.
In
Denke nach und werde reich,
einem Mega-Bestseller von 1937, forderte Napoleon Hill von seinen Lesern eine Art Selbsthypnose: Sie sollten sich bewusst dem »Glauben« an ihren eigenen Erfolg anheimgeben, sich bildhaft Geld und ihren künftigen Wohlstand vorstellen, dann würden sich Geld, Erfolg und Wohlstand eines Tages auch tatsächlich einstellen. Das Wünschen würde dafür sorgen. Dale Carnegie wiederum riet in
seinem
Mega-Bestseller von 1936,
Wie man Freunde gewinnt. Die Kunst, beliebt und einflussreich zu sein,
man solle sich ein System vorgetäuschter Wertschätzung für andere aneignen, eine Art Lächel-Propaganda. Der Haken dabei war, dass die
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