Arme Milliardäre!: Der große Bluff oder Wie die amerikanische Rechte aus der Krise Kapital schlägt
Wertschätzung tatsächlich empfunden und daher bewusst kultiviert werden musste: ein wahrer Glaubensakt also.
Der Trost des Dogmatismus
Dieser intransigente Idealismus gedieh auch weiterhin in den dunklen Winkeln des amerikanischen Lebens, und während wir nun in unseren Tagen den wirtschaftlichen Niedergang durchleben, steht er in nie gesehener Blüte. Nein, es hat kein Wiederaufleben des Marxismus gegeben, aber die Ayn-Rand-Manie der Unzufriedenen ist nicht allzu weit davon entfernt. Unbeugsamer Dogmatismus ist schließlich, gleich nach soziopathischer Schrillheit und rasenden Lokomotiven, ein Haupt-Verkaufsanreiz von
Atlas wirft die Welt ab.
Dass Rand mit ihren Meinungen über alles und jedes absolut und zweifelsfrei richtig liegt, wird im Roman stets mit allergrößter Emphase bekundet. Rands Anhänger haben diesen Dogmatismus seit jeher mit Leben erfüllt. In der Rand-Gemeinde, erinnert sich der Autor Jerome Tuccille, »war ›objektive Realität‹ stets das, was Rand dazu erklärte«.
»Moral« war, was Ayn Rands Ethik entsprach.
»Rationalität« war gleichbedeutend mit dem Denken Ayn Rands.
Nicht mit den Vorstellungen Ayn Rands übereinzustimmen war daher per definitionem irrational und unmoralisch. Von den Grundsätzen [ihrer Philosophie] des Objektivismus, der … bald zu einer Art neuem Marxismus der Rechten wurde, gab es keinerlei erlaubte Abweichung. [9]
Wenn sie nicht gerade damit beschäftigt waren, Abweichler aus dem inneren Zirkel der Rand-Gemeinde zu verbannen, ermittelten die Autorin und ihre Anhänger – ausschließlich mithilfe deduktiver Schlussfolgerungen –, dass Zigarettenrauchen geradezu gesund sei oder dass Monopole ohne staatliche Regulierungen nicht bestehen könnten. Rand führte publizistische Feldzüge gegen Umweltschützer, die ihr als Feinde des Fortschritts erschienen, und gegen die amerikanischen Ureinwohner, deren Enteignung sie, da ihre Kultur nicht in ihr philosophisches System passte, für berechtigt hielt.
Auch in den Wirtschaftswissenschaften keimt dieses Denken immer wieder auf. So hätte etwa die Immobilienblase wahrscheinlich gar nicht entstehen können, wenn die Ökonomen nicht so entschlossen die Realität ausgeblendet und stattdessen dem tröstlichen Mythos des Marktes gehuldigt hätten, einer allwissenden Finanzgottheit, die jede gefährliche Situation sogleich zu entschärfen weiß.
Die Liste der ökonomischen Koryphäen, die die Existenz einer Blase im Immobilienmarkt schlichtweg verneinten, ist ellenlang und voller glanzvoller Namen, und jeder einzelne dieser hoch angesehenen Experten war überzeugt, die Preise würden, wie der Theorie zufolge in solchen Fällen fast immer, von den Fundamentalwerten nach oben getrieben. [10]
Eine noch weit katastrophalere Wirkung hatte jedoch, dass sich Ökonomen dafür engagierten, Regulierungen zurückzuschrauben, die Betrügereien an den Finanzmärkten verhindern sollten. Dies beruhte auf der dünkelhaften Annahme, Finanzfachleute seien so überaus vernünftig und auf den Schutz des Shareholder-Value bedacht, dass sie von sich aus keinerlei Unregelmäßigkeiten dulden würden. Dass es währenddessen auf den unterschiedlichsten Ebenen zu Betrug von desaströsem Ausmaß kam, spielte dabei überhaupt keine Rolle: Der Theorie zufolge konnte es einfach nicht sein. [11]
Derlei von der Wirklichkeit losgelöstes Denken ist nicht allein die Domäne brillanter Vordenker. Es findet sich natürlich auch im Reiche des Glenn Beck. Im Februar 2011 kommentierte er in seiner Radiosendung einen Auftritt der von ihm bis dahin sehr geschätzten britischen Rockband
Muse
und erklärte, er habe seine Meinung über die Gruppe geändert: Bei all ihren rebellischen Texten verstünden die Musiker wohl doch nicht, worum es beim Revival der Konservativen wirklich gehe. Und weshalb verstanden sie es nicht? Weil sie Europäer waren. Denn Europäer haben ja, wie jedermann weiß,
nur sehr wenig Erfahrung mit dem, was wahre Freiheit ist. Selbst nachdem England den Zweiten Weltkrieg gewonnen hatte, begann für die Engländer nicht die Freiheit. Damals entstand
Der Weg zur Knechtschaft.
Denn Winston Churchill und viele andere sagten: Wartet mal, was macht ihr denn? Wir gehen in die falsche Richtung. Und dann gingen sie nicht Richtung Freiheit, sondern schlugen den Weg zur Knechtschaft ein.
Beck hatte damit insofern recht, als
Der Weg zur Knechtschaft,
das berühmte, 1944 erschienene Werk des österreichischen Ökonomen Friedrich August von Hayek,
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