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Arme Milliardäre!: Der große Bluff oder Wie die amerikanische Rechte aus der Krise Kapital schlägt

Arme Milliardäre!: Der große Bluff oder Wie die amerikanische Rechte aus der Krise Kapital schlägt

Titel: Arme Milliardäre!: Der große Bluff oder Wie die amerikanische Rechte aus der Krise Kapital schlägt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Frank
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kleinsten Auswirkungen hinein, die alleinige Schuld an der Hypothekenkrise. (Die abstrusen Vorstellungen, die manche Mitglieder der neuen Rechten über den »wahren Geburtsort« Barack Obamas, seine »Geheimarmee« oder darüber hegen, wer sein erstes Buch verfasst hat, erspare ich uns an dieser Stelle.)
    Man muss schon extrem unkritisch sein, um über solche Absurditäten hinwegzusehen. Linke eines bestimmten Schlags bezeichnen die Anführer der Rechten aufgrund solcher Äußerungen gern schlicht und einfach als »Lügner«. Das greift jedoch zu kurz. Ja, es hat dort sicherlich manchen Täuschungsversuch gegeben und hin und wieder auch bewusste Tatsachenverdrehungen. Viel beunruhigender aber ist eine gewisse Realitätsferne und ein politisches Gruppendenken,das mit jedem Jahr, in dem sich die Rechte noch weiter in ihre eigene Welt zurückzieht, schlimmer zu werden scheint.
    Dass sich die Amerikaner zusehends aus der gesellschaftlichen Realität verabschieden, ist keine Erkenntnis, die auf meinem Mist gewachsen ist, sondern die logische Folge jahrzehntelanger, immer weiter verfeinerter Marktsegmentierungen. Das Phänomen reicht mindestens bis in die Zeit zurück, als man sich in der Soziologie Sorgen über die »Massengesellschaft« zu machen begann und darüber, was das Fernsehen mit unserer Wahrnehmung der Welt anstellt. Witzigerweise findet sich ausgerechnet in
Network,
jenem Lieblingsfilm der Tea Party, eine Szene, in der diese Sorge auf unvergessliche Weise zum Ausdruck kommt: als nämlich die Figur »Howard Beale« – mit der Rick Santelli und Glenn Beck oft verglichen werden – zu einer Schmährede über die Tricksereien des Fernsehens und die Leichtgläubigkeit seines Publikums ausholt: »Wir handeln mit Illusionen. Nichts davon ist wahr. Aber ihr, Freunde, sitzt da, Tag für Tag … Wir sind alles, was ihr kennt.«
    Die Amerikaner sind heutzutage mehr denn je damit beschäftigt, sich im Zuge einer Art Selbstsegregation in Enklaven zurückzuziehen, die von Menschen bevölkert sind, die genauso denken und wählen wie sie selbst. Das Internet bietet jeder Art von Selbstsegregation natürlich einen riesigen Tummelplatz – das ist sozusagen sein Daseinsgrund. Wer sich nicht an die in der jeweiligen Ecke herrschenden Regeln und Normen hält, wird schlicht zum »Troll« erklärt. Die Konservativen verfügen über eigene soziale Netzwerke und eigene Websites für die Partnersuche. Gleich gesinnte Blogger verlinken ihre Texte oft nur untereinander – es gilt als politische Sünde, auf Argumente der Gegenseite zu verweisen – [2] , auf dass die Hirne ihrer Leser nicht durch konträre Meinungen besudelt werden.
    Die Konservativen leben in einer »ganz und gar eigenen Welt«, wie der demokratische Medienberater Stanley Greenberg 2009 feststellte. Dort herrscht eine sehr ausgeprägte Gruppenidentität, Fox News ist das Leitmedium, und man geht allgemein davon aus, dass der Präsident, vom Rest des Landes unbemerkt, eine »geheime Agenda«verfolgt. Diese Kultur der Absonderung hat uns die Parole
»Don’t Believe the Liberal Media«
(»Glaub nicht den liberalen Meinungsmachern«) beschert. Es ist ein Slogan des Media Research Center (MRC), das in den rechten Sphären Washingtons einigen Einfluss genießt. Wenn man bedenkt, dass nach den Maßstäben des MRC so ziemlich sämtliche herkömmlichen Medien »liberal« sind, wird einem klar, dass das Center dazu aufruft, sich ganz bewusst kognitiv aus der gemeinsamen Welt zu verabschieden.
    Sosehr die jüngsten Entwicklungen auf dem Gebiet der Massenkommunikation zu dem hier geschilderten Missstand auch beigetragen haben, es ist nicht von der Hand zu weisen, dass Menschen in wirtschaftlichen Krisenzeiten nun einmal dazu neigen, sich hinter weltanschaulichen Mauern zu verschanzen. Wo die Traditionen ihre Glaubwürdigkeit verlieren, flüchten sich die Menschen gern in puren Utopismus – enttäuscht vom »wie es ist«, ziehen sie sich darauf zurück, »wie es sein sollte«. Ganz anders, als der selbstgefällige Banker im
Guardian Weekly
behauptete, hat die Große Rezession kein Ende der Ideologien gebracht. Ideologien haben vielmehr Hochkonjunktur.

Intransigenter Idealismus
    »Ich lese keine Bücher«, bekundete ein Aktivist der Tea Party einmal gegenüber der Historikerin Jill Lepore. »Ich lese Blogs.« [3]
    Diese Aussage erinnerte mich an ein Buch, das ich kurz zuvor gelesen hatte:
Part of Our Time,
Murray Kemptons klassische Studie über »die Engagierten« der

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