Artefakt
Er verfügte über jahrzehntelange Erfahrung, aber es gab Missionare, die weitaus mehr Erfolge vorzuweisen hatten.
Und doch sind nur wir hier, soweit wir wissen, dachte er und spürte eine neue Rejustierung seiner Femtomaschinen. Sie versuchten, auch weiterhin ihrer Programmierung gerecht zu werden, sein mental-emotionales Gleichgewicht zu schützen und ihm zu ermöglichen, ganz auf die Mission konzentriert zu bleiben. Doch die Anomalie, die das Artefakt umgab und sich ausdehnte, wirkte sich trotz der Neutralisatoren und Abschirmungen auf sie aus.
»Das globale Interdiktionsfeld wirkt hier praktisch nicht mehr«, sagte die Kzosek. Der Blick ihrer großen Augen blieb auf die Messinstrumente gerichtet. »In dieser Hinsicht funktioniert die Lateralenergie des Artefakts wie unsere Neutralisatoren.«
Wieder sprach Rahil einen Gedanken laut aus. »Könnte das der Grund sein? Schützt sich das Artefakt vor der Interdiktion?«
Eine zweite Erschütterung rüttelte den Atmosphärenwagen noch heftiger als die erste, und er legte sich auf die Seite. Die Tochter der Ersten Mutter von Munraha quiekte erschrocken und wäre fast aus ihrem Sessel gefallen. Das Triebwerk heulte auf, und in der Kanzel flogen die Hände des Piloten über die manuellen Kontrollen.
»Ich muss landen!«, rief er. »Andernfalls riskieren wir einen Absturz.«
Thresa schien die Ruhe selbst zu sein. »Ich glaube nicht, dass die Lateralenergie des Artefakts den Zweck verfolgt, das globale Interdiktionsfeld von Heraklon zu neutralisieren, Missionar Tennerit. Wahrscheinlich handelt es sich um eine Nebenwirkung. Ich vermute, sie kennzeichnet den Bereich, in dem die Transformation begonnen hat.« Sie sah kurz auf. »Ich kenne so etwas von den polychromen Schmieden, die die Feazelle in den Umlaufbahnen von Tavalis und Greenrose installiert haben. Allerdings beschränkt sich der Transformationsbereich bei ihnen auf das Innere der Schmieden, wo die als Basismasse dienende Materie in ihre elementaren Bestandteile zerlegt und neu strukturiert wird.«
Das Artefakt frisst den Planeten, dachte Rahil, doch dieser Gedanke schien nicht der gegenwärtigen Situation zu entspringen.
»Ich will wissen, was vor sich geht!«, rief Elisha. »Er hat es mir zu erklären, sofort! Andernfalls entziehe ich ihm und allen anderen Repräsentanten der Ägide die Aufenthaltserlaubnis für diesen Teil von Munraha.«
Rahil sah die Munrahanerin an und beobachtete, wie erneut Empörung ihr Gesicht verfärbte. »Vom Artefakt geht eine Strahlung aus, die die Technik des Atmosphärenwagens stört. Wir müssen landen und den Rest des Wegs zu Fuß zurücklegen.«
»Ihr habt über mehr gesprochen! Er wird mir auch den Rest erklären.«
»Der Rest ist Spekulation«, erwiderte Rahil und hielt sich erneut an den Armlehnen fest, als der Atmosphärenwagen wie in Turbulenzen erbebte.
Wenige Minuten später landete der Wagen in der Nähe einer Gletscherzunge. Es fielen nur noch wenige Schneeflocken, und als sie, von Thermokleidung geschützt, nach draußen traten, war es fast windstill. Ein grauer Schleier lag auf der arktischen Landschaft, trübte das Weiß von Schnee und Eis. Der Himmel zeigte ein dunkleres Grau, wie von einem schmutzigen Hochnebel, der sich nicht auflösen wollte. Dort oben leuchteten keine Sterne, und es fehlten auch die Lichter der Polis.
»Es sind noch etwa sieben Kilometer«, sagte der Pilot. In eine dicke Jacke gehüllt beugte er sich durch die Luke, und sein Atem wurde in der Kälte zu einer Wolke, deren Grau mit der grauen Welt verschmolz. »Ein weiter Weg, unter diesen Bedingungen.«
Rahil sah sich um. »Wir sollten es in anderthalb bis zwei Stunden schaffen.«
»Wir versuchen, in Verbindung zu bleiben«, sagte die Kzosek. Sie trug bereits ihren Rucksack. »Aber es könnte sein, dass die Störungen durch die Emissionen des Artefakts zu stark werden.«
»Ich warte hier auf Sie«, entgegnete der Pilot.
»Zwölf Stunden«, entschied Rahil, der noch an Bord darüber nachgedacht hatte. »Warten Sie zwölf Stunden. Starten Sie, wenn wir bis dahin nicht zurück sind. Holen Sie Hilfe.« Wenn uns dann noch jemand helfen kann, fügte er in Gedanken hinzu.
Rahil schlang sich seinen Rucksack auf den Rücken und beobachtete die Munrahanerin, die einen langen Mantel trug, dessen Substanz aus ihrem eigenen Körpergewebe stammte. Die Haut in ihrem Gesicht hatte sich verändert und bestand aus kleinen Hornplatten, was vielleicht zu den morphischen Maßnahmen zählte, mit denen sie
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