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Artefakt

Artefakt

Titel: Artefakt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Brandhorst
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sich vor der Kälte schützte. Sie könnte Geräte oder sogar Waffen in ihrem Körper verstecken, fuhr es Rahil durch den Sinn, und dann fragte er sich, ob er zu misstrauisch war.
    »Gehen wir«, sagte er.
    Eine halbe Stunde später fanden sie die ersten Toten.
    Es schien eine Art Basislager zu sein, ein in vermeintlich sicherer Entfernung errichtetes Camp, von dem aus man Vorstöße zum Artefakt unternehmen konnte: eine Handvoll Hütten, aus Polymer-Fertigteilen errichtet, in der Nähe ein halb unter Schneeverwehungen verborgener Landeplatz für Atmosphärenwagen. Ein Fahrzeug stand dort, das Heck von einer Explosion zerfetzt. Trümmer hatten Löcher in die Wände der nächsten Hütten gerissen. Auf der anderen Seite lagen zwei Leichen, ein Mann und eine Frau, beide in Thermoanzüge gehüllt. Die Frau lag auf dem Bauch im Schnee, und als Rahil sie umdrehte, stellte er fest, dass ihr Gesicht bis zur Unkenntlichkeit verbrannt war, und zwar von der Entladung einer Strahlwaffe. Der neben ihr liegende Mann wies keine sichtbaren äußeren Verletzungen auf, aber sein Gesicht war grau wie der Himmel, der Mund weit geöffnet.
    Thresa berührte ihn an der Stirn, und die Haut blätterte ab. Zum Vorschein kam das Stirnbein, und es gab nach, als die im Handschuh steckenden Finger der Kzosek ein wenig Druck ausübten.
    »Spröde«, sagte sie, und das Quietschen ihrer Stimme klang seltsam in der Stille. »So spröde, als läge die Leiche schon seit Jahren hier.«
    »Was aber nicht der Fall sein kann«, erwiderte Rahil. »Die Satelliten haben diesen Bereich bis vor kurzer Zeit überwacht. Was auch immer hier geschehen ist, es muss in den letzten zwei Wochen passiert sein.«
    In den Hütten fanden sie weitere Leichen. Einige Türen mussten sie aufbrechen, weil sie verriegelt und verbarrikadiert waren. Andere standen halb offen, und der Wind hatte Schnee in die Räume geweht. Haut und Knochen der Toten erwiesen sich als ebenso trocken und spröde wie bei dem Mann neben der Frau mit dem verbrannten Gesicht. In der vierten Hütte, die ein wenig abseits stand, fanden sie einen weiteren toten Menschen und einen reglos in der Ecke stehenden Ippakao, der aussah wie eine Skulptur aus Eis. Als Rahil seinen dünnen Arm berührte, entstanden haarfeine Bruchlinien darin, die sich nicht nur in den kristallenen Komponenten des Körpers ausbreiteten, sondern auch in den anderen Teilen. Mit einem leisen Klirren brach der Leichnam des Ippakao auseinander, und Rahil wich zurück, als Dutzende von großen und kleineren Fragmenten auf den Boden fielen.
    Der tote Mensch saß zur Seite geneigt im Sessel an einer einfachen Kommunikationsstation, die gewöhnliche, nicht der Interdiktion unterliegende Funktechnik verwendete. Das Gesicht des Mannes war farblos und wie mumifiziert. Die in der Kälte gefrorenen weißgrauen Augen starrten auf leere Anzeigen.
    »Diese Personen sind nicht durch Einwirkung von Gewalt gestorben«, sagte Thresa und nahm Messungen mit ihren Instrumenten vor. »Das Artefakt hat sie umgebracht.«
    »Die Lateralenergie?«
    »Sie hat sich vielleicht ebenfalls ausgewirkt, kann aber nicht der ausschlaggebende Faktor gewesen sein. Es liegt vor allem an der Absorption. Das Artfakt nimmt alle Arten von Energie auf: nicht nur elektromagnetische Strahlung und Wärme, sondern auch die molekularen und atomaren Bindungskräfte. Sie haben gesehen, wie spröde die Haut und die Knochen der Toten sind, nicht wahr?«
    Rahil nickte, während er die Kommunikationsgeräte untersuchte.
    »Hier wird alles zu Staub zerfallen, Missionar Tennerit. Und der Staub wird der Superschmiede als Basismasse dienen.«
    »Die Batterien sind leer«, stellte Rahil fest.
    »Das Artefakt hat die in ihnen enthaltene Energie absorbiert.«
    Rahil streckte die Hand nach einem Kontrollelement aus – der manuelle Regler brach ab, als er ihn drehte. »Man könnte meinen, hier seien Jahrzehnte oder gar Jahrhunderte vergangen.«
    »Vielleicht ist das tatsächlich der Fall, Missionar«, quietschte die Kzosek. »Es könnte hier zu einer temporalen Beschleunigung gekommen sein.«
    Rahil spürte, dass die Femtomaschinen mehr Energie aus seinem Stoffwechsel aufnahmen, um ihre Funktion aufrechtzuerhalten. »Diese Leute sind nicht weggelaufen«, sagte er. »Nach dem, was wir bisher gesehen haben, dachten sie nicht einmal daran, die Flucht zu ergreifen. Und jetzt sind sie tot.«
    »Es muss sehr schnell gegangen sein«, sagte die Kzosek-Frau.
    »Was ist mit uns? Könnte dies auch mit uns

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