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Artefakt

Artefakt

Titel: Artefakt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Brandhorst
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schlimm«, fügte Coltan hinzu. »Wir hatten ohnehin bei Couron landen wollen.« Er setzte seinem Sohn einen Becher an die Lippen, und Rahil trank durstig, ohne zu wissen, was der Becher enthielt. »Wir haben dort ein Depot.«
    »Es dürfte nicht ganz leicht sein, es zu erreichen, Sire«, sagte Joyce und deutete zur weißen Stadt, über der sich der Dunst aufzulösen begann. Rahil erinnerte sich an Hitze, an eine lodernde, brennende Sonne, aber inzwischen hatte sich die Hauptstadt von Munraha verändert. Das Weiß stammte nicht mehr nur von Gebäuden, sondern auch von Schnee, der sich auf und zwischen ihnen angesammelt hatte, und was dort im Licht des neuen Tages glitzerte, war Eis.
    Aber nicht nur.
    Ein Teil des Gespinstes, das sich über die weiße Stadt gelegt hatte, bestand aus filigranem Metall, und Rahil erkannte es trotz seiner Benommenheit als das Werk von Seglern: Akkumulatoren und Integratoren, die es auf die einfachen Datennetze der Stadt abgesehen hatten, und auf die viel komplexeren der Außenwelt-Botschaften, unter ihnen die der Ägide.
    Rahil fröstelte, und sein Vater knöpfte ihm die gefütterte Jacke zu, die er trug. Er erinnerte sich nicht daran, sie angezogen zu haben.
    »Hier sollte es eigentlich warm sein, aber es ist kalt«, sagte er.
    »Der Einfluss des Artefakts reicht bis hierher, Junge«, erwiderte Coltan. »Die Luftströmungen haben sich geändert. Kalter Wind weht bis zum Äquator. In einigen Wochen wird es selbst dort schneien.«
    »Bist du … die Eminenz?«
    Das über Rahil schwebende Gesicht mit den grauen Augen blieb ernst. »Ja, aber das spielt keine Rolle. Erinnere dich an den Gesserat. Was weiß er?«
    Rahil spürte ein Prickeln im Nacken, als sich der Biomorph anschickte, weitere Erinnerungen zu übertragen.
    Ein Gesserat, der Zacharias genannt werden wollte und ihm den Rat gegeben hatte, sich an einen Verwahrer namens Äguizabel zu wenden, wenn er in Schwierigkeiten geraten sollte.
    »Was erwartest du?«, krächzte er. »Was sollte er wissen?«
    »Das möchte ich von dir hören, mein Sohn.«
    »Er hat keine weiteren Informationen, Sire«, sagte Delana.
    Einer der Männer, die am Flugboot hantiert hatten, trat näher. Sonderbar laut und deutlich hörte Rahil, wie eisverkrustete kleine Steine unter seinen Sohlen knirschten. »Die Ausrüstung ist bereit, Sire.«
    Coltan ergriff Rahils rechten Arm und zog ihn mit sanftem Nachdruck auf die Beine. »Komm, Junge. Es geht weiter. Im Depot steht ein Atmosphärenwagen, damit können wir das Artefakt in wenigen Stunden erreichen.«
    Ein Atmosphärenwagen, dachte Rahil und erinnerte sich daran, in einem gesessen zu haben oder noch immer zu sitzen. In einem Wagen, der ebenfalls zum Artefakt unterwegs war.
    »Es geht wieder los, Sire«, sagte Delana.
    »Bleib mit ihm verbunden.«
    »Ja, Sire.«
    Das Bild vor Rahils Augen verschwamm und trübte sich. »Wenn du die › Eminenz ‹ bist, Vater … Du bist vor siebenundachtzig Jahren im Dutzend gestorben.«
    »Das hat ihm der Botschafter der Ägide in Couron mitgeteilt, vor sechs Monaten«, sagte Delana.
    »Auch du bist gestorben und wiederauferstanden, mein Sohn.« Coltan führte Rahil über den Hang zur weißen Stadt, die sich unten zwischen den Hügeln erstreckte. »Sogar mehrmals.«
    »Wer ist dein Helfer bei den Hohen Mächten, Eminenz?«, fragte Rahil und gab dem letzten Wort einen verächtlichen Klang.
    »Welche Rolle spielt das für dich, Junge? Nur das Artefakt ist wichtig, und wir erreichen es bald. Daran solltest du denken. Daran solltest du dich erinnern.«
    Rahil erinnerte sich, während das Bild vor seinen Augen immer undeutlicher wurde. »Ich habe etwas berührt. Etwas ist in dem Artefakt. Was befindet sich darin?«
    Etwas anderes fiel ihm ein, als er, gestützt von seinem Vater, mühsam einen Fuß vor den anderen setzte. »Vor siebenundachtzig Jahren bist du gestorben. Und vor siebenundachtzig Jahren kam ein Schiff des Dutzends nach Heraklon und brachte einen neuen Botschafter. Es flog auch nach Norden, in die Arktis, zum Artefakt. Warum?«
    »Weißt du das noch nicht?«, erwiderte Coltan. Seine Stimme wurde leiser und schien aus der Ferne zu kommen, obwohl er direkt neben ihm ging. »Delana?«
    »Er weiß es wirklich nicht, Sire«, sagte Delana.
    »Gibt es dich ein zweites Mal?«, fragte Rahil. »Haben dich deine Freunde bei den Hohen Mächten zweimal oder noch öfter wiederauferstehen lassen?«
    Nein, ausgeschlossen. Das Etwas im Artefakt hatte sich vertraut angefühlt, aber

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