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Artefakt

Artefakt

Titel: Artefakt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Brandhorst
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geschehen? Sie haben darauf hingewiesen, dass die Lateralenergie unsere Abschirmung beeinträchtigt.«
    »Unsere Neutralisatoren sind leistungsfähig genug, Missionar Tennerit. Solange wir sie bei uns tragen, sind wir geschützt. Vorausgesetzt, das Wirkungsfeld des Artefakts wird nicht wesentlich stärker.« Thresa sah sich um. »Wo ist Elisha?«
    »Was?« Die Munrahanerin war nicht bei ihnen in der Hütte. Rahil eilte nach draußen und hörte, wie der Schnee unter ihm knirschte, als er sich von der Hütte entfernte. Es schien etwas dunkler geworden zu sein. Oder lag es daran, dass die Stimulierung seiner Sinne durch die Femtomaschinen ein wenig nachgelassen hatte? »Elisha!«
    Beim Landefeld mit den Schneeverwehungen bewegte sich etwas, und Rahil lief los, tausend Gedanken im Kopf, viele von ihnen düster und voller Sorge. Dies war gewiss kein Lager der Ägide, und es sah auch nicht nach einem Basiscamp von Wissenschaftlern aus. Die Toten waren vermutlich Beauftragte der Gefallenen Welten gewesen und hatten versucht, mehr über das Artefakt herauszufinden. Und der zerstörte Atmosphärenwagen und die Frau mit dem von einer Strahlwaffe verbrannten Gesicht? Ein Kampf hatte stattgefunden, vielleicht zwischen rivalisierenden Gruppen. Selbst wenn es an diesem Ort durch die Einwirkung des Artefakts zu temporalen Anomalien und Zeitverschiebungen kam: Es konnten nicht mehr als zwei Wochen Realzeit vergangen sein. Gab es andere Beauftragte der Gefallenen Welten in der Nähe, vielleicht besser geschützt als diese?
    Rahil erreichte das von Schnee bedeckte Landefeld, als Elisha hinter dem Atmosphärenwagen hervortrat. Sie stopfte ihr langes kastanienfarbenes Haar unter die Kapuze des Mantels, der Teil ihres Körpers war. Rahil beobachtete die Spuren, die sie im Schnee hinterlassen hatte, und nicht alle von ihnen schienen von menschlichen Füßen zu stammen. Elisha hatte ihre Gestalt verändert, aber warum?
    »Was haben Sie hier gemacht?«, fragte er mit scharfer Stimme.
    »Wie redet er mit mir?«, zischte die Munrahanerin. »Was erlaubt er sich?«
    »Von jetzt an werden Sie bei uns bleiben und nicht auf eigene Faust herumschnüffeln.«
    »Herumschnüffeln?« Das Gesicht der Polymorphen verfärbte sich, und Rahil beobachtete, wie sich neue Hornplättchen darin bildeten.
    Er winkte ab und wandte sich an die Kzosek-Frau, die inzwi schen herangekommen war. »Teilen Sie dem Piloten mit, was wir hier vorgefunden haben, Thresa. Er soll die Ägide verständigen.«
    »Ja, Missionar.«
    Elisha hatte sich zornig umgedreht und war einige Schritte weit durch den Schnee gestapft, wie um Rahils Anweisungen herauszufordern.
    Thresa trat etwas näher. »Sehen Sie sich das an, Missionar«, fügte sie leise hinzu und hob eins ihrer Messgeräte.
    Rahil blickte auf die Anzeige. »Ein Signal?«
    »Genau zwei Mikrosekunden lang«, sagte Thresa mit gedämpfter Stimme. »Stark genug, um das größer werdende Absorptionsfeld des Artefakts zu durchdringen. Höchstwahrscheinlich mithilfe primärer Technik gesendet.«
    Rahil sah zur einige Meter entfernten Munrahanerin, die ihnen den Rücken zukehrte, und dann wanderte sein Blick zum nahen Gletscher, dessen Eismassen nach Nordwesten hin aufragten. Nirgends bewegte sich etwas, abgesehen von ein paar letzten Schneeflocken, die aus einem grauen Himmel fielen.
    Hatte Elisha das Signal gesendet? Verbarg sie irgendwo an oder in ihrem Körper einen Sender? Aber wie sollte sie primäre Technik in ihren Besitz gebracht haben? Oder befand sich jemand in der Nähe, gut versteckt, ein Beobachter, der seinen Auftraggeber – die rätselhafte »Eminenz« – gerade darauf hingewiesen hatte, dass ein Missionar der Ägide mit zwei Begleitern zum Artefakt unterwegs war?
    Rahil deutete nach Norden, dorthin, wo sich im grauen Kältedunst Berge und die Öffnung eines Tals abzeichneten.
    »Gehen wir«, sagte er laut genug, damit auch Elisha ihn hörte. »In einer Stunde sind wir beim Artefakt.«

Wahnsinn wühlt in meinen Sinnen,
Und mein Herz ist krank und wund.
    (Sechs Monate zuvor)
    Das Artefakt I
    49
    Im Tal wurde es dunkler, und die Temperatur fiel auf vierzig Grad unter dem Gefrierpunkt. Schnee und Eis verschwanden, und die Berghänge zu beiden Seiten zeigten ihre nackten, granitenen Schultern. Eine dicke schwarze Schicht aus staubfeinem Sand bedeckte den Boden und bewegte sich wellenförmig, wenn es zu einem der häufigen Beben kam, und dann grollte es in der Ferne, ein dumpfes Donnern wie von einer gewaltigen Lawine,

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