Ascalon – Das magische Pferd, Band 3: Ascalon – Das magische Pferd. Der Schlüssel von Avalon
Stirn und schaute zu Neros Box. Der betagte Kaltblüter verbrachte die Nächte schon seit Wochen im Stall, weil er etwas kränkelte. In dieser Nacht schien ihre Mutter es zum ersten Mal erlaubt zu haben, dass er draußen blieb. Muriel stutzte. Aber warum war Vivien dann gestern Abend noch einmal in den Stall gegangen? Da stimmte doch was nicht.
Nachdenklich ging Muriel durch die Gasse zu Neros Box. Je näher sie kam, desto strenger roch es nach Pferd, so als ob sich eines ganz in der Nähe befand. Sie warf einen Blick in die Box und unterdrückte einen Aufschrei. Entsetzt schlug sie die Hände vor den Mund und starrte fassungslos auf das Bild, das sich ihr bot. Nero war nicht auf der Weide. Er war hier. Mit unnatürlich verrenkten Gliedern lag er im Stroh, das Maul halb geöffnet, die Augen weit aufgerissen. Er atmete nicht. Nero war tot!
Gegen jede Vernunft
»Nein! Oh nein!« Muriel schluchzte auf. In ihren Augen standen Tränen. Hinter ihrer Stirn wirbelten die Gedanken. Was war geschehen? Nero war alt gewesen, aber gesund. Erst gestern war Vivien mit ihr und Ascalon auf Nero ausgeritten. Muriel erinnerte sich genau, dass der Percheron-Wallach munter und ausdauernd getrabt war. Von einer schlimmen Krankheit oder einer ungewöhnlichen Erschöpfung war nichts zu spüren gewesen.
Vielleicht war es plötzliches Herzversagen?
Muriel erinnerte sich, dass ihre Mutter einmal gesagt hatte, dass es so etwas auch bei Pferden gäbe. Und ihre Mutter musste es wissen, schließlich war sie Tierärztin. Dennoch kam es ihr seltsam vor. Nero wirkte nicht, als sei er friedlich eingeschlafen. Muriel schluckte schwer. Der Arme sah aus, als hätte er sich lange quälen müssen.
Eine Kolik?
Traurig kniete Muriel neben dem Wallach nieder. Wie sollte sie das nur Vivien beibringen? Als Ascalon vor mehr als einem halben Jahr auf den Birkenhof gekommen war, hatte Vivien Nero von Muriel übernommen. Seitdem war er ihr ein und alles. Jeden Abend brachte sie ihm noch zwei Äpfel, als »Betthupferl«, wie sie es nannte. Das war inzwischen schon fast zu einem Ritual geworden, so wie die morgendliche Begrüßung vor der Schule ...
... vor der Schule!
Muriel zuckte zusammen. Wie lange war sie schon hier? Hatten die Wecker drinnen bereits geklingelt? Vivien durfte Nero auf keinen Fall so sehen. Das würde ihr das Herz brechen.
Hastig wischte Muriel die Tränen fort und überlegte, wie sie das Schlimmste verhindern konnte. Dabei fiel ihr Blick auf Neros geöffnetes Maul. Im Stroh, dicht daneben, lag ein grasgrüner Apfel. Einer der »Pferdeäpfel«, die Vivien für ihren Liebling gehortet hatte.
Muriel runzelte die Stirn und warf einen kommissarischen Blick auf den Apfel. Er war nicht klein geschnitten, so wie Vivien es sonst immer tat, wies aber trotzdem deutliche Zahnabdrücke von Neros lückenhaftem Gebiss auf.
»Verdammt!« Mit einem Satz war Muriel auf den Beinen und schaute in den Futtertrog. Von dem zweiten Apfel fehlte jede Spur. Als sie genauer hinsah, entdeckte sie ein Kartoffelschälmesser auf dem Boden vor der Box – und langsam dämmerte ihr, was geschehen war.
Aus irgendeinem Grund hatte Vivien vergessen die Äpfel klein zu schneiden. Muriel konnte sich nicht wirklich vorstellen, was am Abend geschehen war, aber die Indizien sprachen für sich. Vivien war im Dunkeln mit den Äpfeln zu Nero gegangen, so viel war sicher. Vielleicht hatte sie sich dann im Stall erschreckt oder irgendwas hatte ihr Angst gemacht – dazu gehörte bei Vivien nicht viel – sie hatte vermutlich das Messer und die Äpfel fallen lassen und war aus dem Stall geflohen. Das würde auch erklären, warum die Tür nicht verriegelt gewesen war. Irgendwie musste Nero anschließend an die Äpfel gekommen sein. Und dann – Muriel schluckte schwer – vermutlich hatte der zahnlose Kerl einen der viel zu großen Äpfel zu kauen versucht, ihn heruntergeschlungen und war qualvoll daran erstickt.
Muriel seufzte. Sie war überzeugt, dass es so gewesen sein musste. Aber das machte die Sache nicht besser. Im Gegenteil. Wenn das stimmte, würde Vivien nicht nur damit leben müssen, ihren besten Freund verloren zu haben. Sie würde sich auch bittere Vorwürfe machen, weil er wegen ihrer Unachtsamkeit gestorben war.
Obwohl es im Stall kühl war, kam Muriel ins Schwitzen. Vivien und sie waren nicht immer ein Herz und eine Seele. Ihre Schwester konnte sehr eigensinnig und zickig sein. Dann krachte es zwischen ihnen gewaltig und nicht selten wünschte sie Vivien auf
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