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Asche und Phönix

Asche und Phönix

Titel: Asche und Phönix Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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Ortsschild passierten. »Manchmal mache ich das, mir Sachen einbilden.«
    »Die Radarkontrolle da vorn ist jedenfalls keine Einbildung.«
    Sie bremste scharf und schaffte es gerade noch, das Tempo auf fünfzig zu drosseln. »Wer stellt so was in eurem Dorf auf?«
    Sein Blick fiel auf die Plastikmappe mit den Dokumenten. Sie lag im Fußraum vor dem Beifahrersitz. »Du hast sie mitgebracht!«
    »Deshalb bist du doch gestern zu uns gekommen.«
    »Vor allem wollte ich zu dir.«
    Sie runzelte die Stirn. »Da lag ich gerade im Delirium im Palmenhaus meiner Tante, mit irgendwas im Blut, das mir der Arzt gespritzt hat, und hab ein paar ziemlich verrückte Sachen gesehen. Glaub mir, gegen keinen Besuch der Welt hätte ich das eintauschen wollen.«
    »Was haben sie mit dir gemacht?«
    »Was man eben mit jemandem macht, der Riesenschlangen und Tiger sieht. Im Wald. Im Dunkeln. Sie haben mich ruhiggestellt.«
    Er musterte sie mit gerunzelter Stirn und atmete schließlich tief durch.
    »Ist schon okay«, sagte sie. »Ich träume oft komisches Zeug, dafür brauche ich normalerweise nicht mal Spritzen.«
    »Das klingt, als hättest du Erfahrung damit.«
    »Eine Menge.«
    Sie passierten die sonnendurchglühte Piazza im Zentrum des Dorfes. Das Cabrio glitt durch den Schlagschatten einer steinernen Heiligenfigur. Vor einer Bar saß ein Dutzend alter Männer und blickte ihnen stumm hinterher.
    Als sie den Ort wieder verließen, bückte sich Alessandro und hob die Mappe auf. »Hast du sie dir angeschaut?«
    »Nein«, sagte sie kopfschüttelnd. »Geht mich nichts an.«
    »Im Ernst?«
    Sie hob die Schultern. »Was ist mit Iole?«
    Er zog die Dokumente hervor und blätterte flüchtig darin. »Ich habe mit Cesare über sie gesprochen. Er wird sich darum kümmern.«
    Ihre Kinnlade klappte herunter. »Das ist alles?«
    »Offiziell muss er tun, was ich sage. Bei unserem Gespräch waren genug andere dabei, dass er es sich nicht leisten kann, meinen Befehl zu missachten.«
    »Deinen Befehl! Er wollte dich umbringen, schon vergessen?«
    »Das ist kompliziert«, sagte er und schob die Papiere zurück in die Mappe.
    Ihr Tonfall wurde eisig. »Red nicht mit mir, als wäre ich zu dumm, es zu verstehen.«
    »Die ganze Sache ist verfahren. Cesare und Tano und mein Vater, auch wenn er tot ist, und –«
    »Deine Mutter.« Das sollte wehtun.
    »Ja«, sagte er leise. »Sie auch.«
    »Die Familie hat seit dem Tod deines Vaters die Führung verloren«, stellte sie fest, als er nicht gleich fortfuhr.
    »Der Clan ist gespalten. Die einen unterstützten Cesare, die anderen mich. Und keine der beiden Gruppen kann riskieren, die andere vor den Kopf zu stoßen.«
    Sie hob eine Augenbraue. »Weil das allmächtige Mafiaimperium der Carnevares dann auseinanderbrechen würde?«
    »Im besten Fall. Im schlimmsten würde vielleicht der eine oder andere beschließen, den Schutz, den ihnen früher mein Vater gewährt hat, bei der Staatsanwaltschaft zu suchen. Es ist nicht mehr so wie damals, als alle zusammenhielten und es als ehrenrührig galt, zur Polizei zu gehen. Heute wägt jeder Handlanger seine persönlichen Vorteile ab. Zwei, drei Jahre im Knast abzusitzen, mit Kabelfernsehen und Besuchsrecht, klingt doch attraktiver, als in einem Kleinkrieg zwischen zwei capi Kopf und Kragen zu riskieren.«
    Sie verstand jetzt, worauf das hinauslief. »Also können weder Cesare noch du offen gegen den anderen vorgehen. Und weil du in ein paar Monaten dein Erbe antreten wirst, wahrt Cesare nach außen hin den Schein und gehorcht dir.«
    »Jedenfalls, was die unwichtigen Dinge angeht.«
    Sie schlug mit der Hand aufs Steuer. »Dieses Mädchen ist seit sechs Jahren eingesperrt!«
    »Nicht wichtig für ihn «, korrigierte er sich.
    Sie blickte zur Seite, sah geradewegs in seine Augen. Im Hintergrund glitten kahle Hügel vorüber.
    »Du traust mir nicht«, stellte er fest.
    Sie lachte ohne jeden Humor. »Natürlich nicht.«
    »Weil ich dich mit auf die Insel genommen habe?«
    »Weil du mir nicht die Wahrheit gesagt hast darüber, warum du das gemacht hast.«
    »Wärst du denn mitgekommen? Wenn ich es dir gesagt hätte?«
    »Vielleicht.« Sie überlegte kurz. »Ja, wäre ich.«
    Sie spürte, dass er sie noch immer beobachtete, aber sie musste sich aufs Fahren konzentrieren, weil die Straße wieder kurviger wurde.
    »Biegst du da vorn nach rechts ab?«, bat er.
    »Und dann?«
    »Zeig ich dir was.«
    »Mehr Geheimnisse.«
    »Es ist gar nichts so Geheimnisvolles daran. Versprochen.«
    »

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