Asche und Schwert
über unser Vorgehen zu verraten. Er ist der Letzte des Hauses Pelorus, der enthüllen könnte, wie weit deine Täuschung wirklich ging. Und der dich wieder zu dem Sklaven machen könnte, der du so viele Jahre lang warst. Was wirst du tun?«
Timarchides starrte Verres einen Augenblick lang an. Dann griff er nach einem Seil und warf ein Ende ins Wasser. Er hielt sich an der Trosse fest, als der Junge nach oben kletterte. Der schnappte vor Anstrengung nach Luft, und seine Brust hob und senkte sich heftig.
»Das hast du gut gemacht«, sagte Timarchides, als der Junge das Dollbord erreichte.
Der sardische Junge lächelte. Er atmete schwer vor Erleichterung und Aufregung.
Dann griff Timarchides nach einem Messer und schlitzte dem jungen Sklaven in einer einzigen tödlichen Bewegung die Kehle auf. Die Augen des Knaben zeigten plötzlich einen verletzten, flehentlichen Ausdruck, als er vom Schiff stolperte und, von einem roten Nebel umgeben, in das Wasser der Bucht von Neapel fiel.
Timarchides sah zu, wie der Tote mit dem Gesicht nach unten dahintrieb. Das eingebrannte » P « auf dem rechten Unterarm des Jungen entsprach demjenigen, das er selbst trug, auch wenn dieses inzwischen weniger deutlich zu erkennen war. Das Schiff entfernte sich immer weiter von der Leiche. Es segelte hinaus aufs offene Meer, während der Junge dort auf und ab schaukelnd zurückblieb, wo er in die Fluten gefallen war.
Verres legte dem Freigelassenen in einer versöhnlichen Geste die Hand auf die Schulter.
»Der Tod kommt zu jedem von uns, Timarchides, aber die Freiheit nicht. Denk darüber nach, während wir nach Sizilien reisen.«
Timarchides schüttelte die Hand ab und starrte auf die schäumenden Wellen der unruhigen See.
»Die Geschichte Roms ist unsere Geschichte, deine und meine«, sagte Verres. »Es ist eine Geschichte freier römischer Bürger. Da ist kein Platz für Sklaven. Sie sind unsichtbar. Nie mand kümmert sich um das, was ein Sklave denkt. Um seine Hoffnungen. Seine Träume. Seine Wünsche. Sie sind unserer Betrachtung nicht mehr wert als die Träume eines Insekts. Du bist frei. Dann sei auch frei.«
Als der Bug sich der Ãffnung zwischen den äuÃeren Hafenmauern näherte, blähte eine kräftige Brise die Segel und trieb das Schiff voran â zunächst noch langsam, doch schon bald darauf brachen sich die Wellen in immer rascherer Folge an seinem Rumpf.
XVIII Â RECONCILIATUM
XVIII
RECONCILIATUM
Er lag auf dem stabilen Holztisch , auf dem er schon seit Tagen gelegen hatte, und seine Brust hob und senkte sich kaum unter seinem immer wieder stockenden Atem. Erste Anzeichen eines Bartes zeigten sich auf seiner feuchten Gesichtshaut. Sein Haar, das üblicherweise gestutzt war wie bei einem römischen Soldaten, war so sehr gewachsen, dass es fast schon wieder die Länge seiner gallischen Mähne erreicht hatte. Ohne etwas zu erkennen, starrten seine Augen hinauf an die Decke. Seine Hände lagen vorsichtig gefaltet auf seinem Bauch, wo sie gegen die von Blut und Eiter durchtränkten, klebrigen Verbände drückten.
Als sich die Tür öffnete, lieà er mit keiner Geste erkennen, dass er es bemerkt hatte. Er blieb noch immer fast so regung slos auf dem Tisch liegen wie Pelorus auf seiner Bahre.
Die Schritte, die sich ihm näherten, waren leicht und anmutig, ohne das Klacken von Schuhnägeln oder das Schaben einer gehärteten Ledersohle. Es waren die Schritte von FüÃen, die von Maus- oder Hirschleder umhüllt waren und einen Körper trugen, der viel leichter war als derjenige eines durchschnittlichen Bewohners des ludus . Die neu angekommene Gestalt blieb stehen; jede ihrer Bewegungen war vom Rauschen seidener Ãrmel und dem unverkennbaren Hauch ägyptischer Düfte begleitet.
»Crixus«, sagte sie.
Die Lippen des auf dem Tisch liegenden Mannes zuckten. Sein Blick verriet keine Reaktion und kein Gefühl, doch sein Mund bewegte sich kaum merklich.
»Crixus«, flüsterte sie.
AuÃer einem leisen Seufzen, das sich seiner langsam sich senkenden Brust entrang, rührte sich der Körper des Mannes nicht.
»Der medicus wird gleich wiederkommen. Ich habe nicht viel Zeit.«
Sie legte ihre Hand auf seine Schulter, besann sich eines Bes seren und kehrte mit einem feuchten Tuch zurück, mit dem sie behutsam den Schmutz von seinem Oberkörper abtupfte.
»Ich bin im Herzen
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