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Ascheherz

Ascheherz

Titel: Ascheherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Blazon
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Dieser Moment noch!
    »Ist … habe ich etwas Falsches gesagt?«, fragte er zaghaft. »Bist du traurig? Willst du …«
    »Hör endlich auf zu fragen«, flüsterte sie. Sie trat an ihn heran und legte die Hände um sein Gesicht. Finn holte überrascht Luft, doch er umarmte sie nicht und er drängte sie auch nicht, als sich ihre Lippen seinem Mund näherten. Er war zwar hoch gewachsen, doch er musste sich nicht zu ihr herunterbeugen, damit sie ihn küssen konnte. Der staubige Duft nach Theaterpuder hing immer noch in seinen Haaren. Sein Atem traf auf ihre Lippen, warm und verlockend, und ihr ganzer Körper sehnte sich nach diesem Kuss. Doch sie konnte nicht anders, als innezuhalten, unfähig, die letzte Distanz zu überbrücken. Aber ich bin doch in ihn verliebt , dachte sie irritiert. Oder nicht?
    Mit jeder Faser ihres Körpers wusste sie, dass sie in ihrem Leben schon jemanden (oder vielleicht auch viele?) geküsst hatte. Es war nichts Neues, nichts, wovor sie sich fürchtete, aber warum stolperte ihr Herz dann, als würde die Angst nach ihr greifen?
Und warum war ihr plötzlich kalt? Sie konnte Finns Anspannung fühlen, seine Sehnsucht, eine Aura von Wärme und Erwartung. Jeder Herzschlag ein Ruf nach ihr, der in ihrem Körper einen Widerhall fand.
    Summer blinzelte. Und in der nächsten Sekunde wusste sie, warum sie zögerte. In der Ruhepause zwischen zwei Herzschlägen stand die Zeit plötzlich still, und in dieser Leere entfaltete sich eine Blüte aus Schatten und … Erinnerung! Angestrengt tastete sie danach. Doch es war ein Wiedererkennen ohne Bilder, ein Splitter nur, ohne Anhaltspunkt, wozu er gehörte. Sie fühlte fremde Lippen auf den ihren, obwohl sie Finns Mund noch gar nicht berührt hatte. Vor langer Zeit (wie lange?) hatte sie einen Mann geküsst! Aber es war keine romantische Erinnerung. Es war …
    Erschrocken zuckte sie zurück und riss die Augen auf. Der Kuss aus der Vergangenheit brannte immer noch auf ihrem Mund. Er schmeckte nach Hitze, nach Rauch und … nach Verlust.
    Ein weiterer Eindruck zwischen zwei Herzschlägen: Finns Enttäuschung, die Frage, die sich schon in seinen Gedanken formte.
    Fieberhaft suchte sie nach einer Erklärung, die ihn nicht verletzen würde, während ihr Puls raste und ihre Knie nachzugeben drohten. Sie öffnete den Mund, um etwas zu sagen …
    Und dann zersplitterte jeder Gedanke.
    Finns Gestalt zersprang in Lichtblitze, und zurück blieb grelles, schmerzhaftes Rot. Es blieb ihr nicht einmal Zeit, aufzuschreien. Fast verwundert nahm sie wahr, wie ihr Kopf jäh zur Seite gerissen wurde, ihre Zähne durch die Wucht eines Aufpralls gegeneinanderschlugen. Im Fallen erst blitzte ein stechender Schmerz an ihrer Schläfe auf. Jemand hat mich erschossen! , schrie es in ihrem Kopf. Finns erschrockener Ruf gellte in ihren Ohren, während sie
stürzte. Hart kam sie auf der Straße auf, ihre Handflächen rieben über den Asphalt.
    »Sulamar!« Schon war Finn bei ihr, richtete sie auf und zog sie an sich. Ein grelles Brennen pochte in ihrer Schläfe und etwas Warmes rann über ihr Jochbein. Ein Stein rollte vor ihnen auf der Straße aus, schaukelte einmal und blieb liegen. Benommen tastete sie nach ihrer Stirn und fand nur eine kleine Platzwunde. Es war also kein Schuss aus einer Waffe gewesen. Aber jemand hatte sehr genau gezielt und mit dem Stein gut getroffen. Ganz bestimmt war ihnen der Angreifer schon vom Hafen aus gefolgt: der Frau im festlichen Seidenkleid und dem Mann, der blind vor Verliebtheit und trunken vom Wein war - leichte Beute für jeden, der Geld brauchte und nichts zu verlieren hatte.
    Finn legte den Arm um ihre Taille und riss sie hoch, mühsam kam sie auf die Beine. Etwas schepperte, und diesmal waren es keine streunenden Tiere, die Lärm machten. Im Dunkel bewegte sich etwas, eine Gestalt - oder zwei? Und wir sind unbewaffnet!
    »Verschwindet!«, brüllte Finn, doch sehr überzeugend klang es nicht. Nun schnappte er sich den Stein vom Boden und schleuderte ihn in die Schatten. Eine Scheibe zerbrach - und ein paar Straßen weiter begann ein Hund zu bellen. Fenster hätten nun aufgehen sollen, Menschen aus den Häusern stürzen, aber dafür war es offenbar der falsche Teil der Stadt.
    Finn packte Summer am Arm. »Weg hier!«
    Im nächsten Augenblick rannten sie die größere Querstraße entlang. Blitzartig überschlug Summer die Möglichkeiten. Die Leute, die in der Straße wohnten, hielten sich offenbar lieber raus, aber ganz in der Nähe war ein Hotel, das

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