Ascheträume
noch.
Esteban war bestimmt ein interessanter Typ. Ich war mir dessen zwar überhaupt nicht sicher, denn wir hatten noch nie miteinander gesprochen, aber alle Mädchen redeten über ihn. Irgendjemand musste ihm meine Telefonnummer gegeben haben, denn vor zwei Tagen hatte ich eine SMS bekommen: »Samstag um acht? Esteban«. Ich hatte zugesagt, auch wenn wir noch nie ein Wort gewechselt hatten. Der Abend durfte auf keinen Fall eine Enttäuschung werden.
Während er die letzten Schritte auf mich zu machte, zog er eine Zigarettenschachtel hervor, klopfte auf die Unterseite und ließ sich eine Zigarette in den Mund springen. Er blieb stehen und sah mich an, während er sie anzündete. Ich lächelte schüchtern. Zum Glück konnte er wegen der Sonnenbrille, die ich immer trug, und wegen des Dämmerlichts nicht sehen, dass ich rot wurde. Ich hingegen bemerkte seine Verlegenheit, als ich ihm die ersten Worte dieses Abends sagte – die schlimmsten, die ich hätte wählen können: »Esteban … Ich glaube, du hast die Zigarette falsch herum angezündet.«
Er ließ sie wie zufällig fallen und lächelte breit.
»Thara! Gehen wir rein?«
Wir setzten uns an einen abgelegenen Tisch. Das Lokal war nichts Besonderes, es gab im Grunde nur Sandwiches – aber hausgemacht, wie Esteban betonte.
Na toll, dachte ich. Ein rauchender Gesundheitsapostel!
Doch andererseits hatte auch ich übertrieben, denn mit meinem langen, violetten Kleid, das ich irgendwann mal für einen besonderen Anlass gekauft hatte, war ich viel zu elegant angezogen.
Als ich die Speisekarte las, nahm Esteban meine Hand. »Was nimmst du?«, fragte er in einer Art, die er wohl für verführerisch hielt und fügte hinzu: »Und warum setzt du deine Sonnenbrille nicht ab?«
Bei dieser Frage zitterten mir die Knie und die Stimme. Zum Glück saß ich! Richtig: Warum nahm ich sie nicht ab? Ich musste mich nicht schämen.
»Ich hatte keine Zeit, mich zu schminken …«, antwortete ich in der Hoffnung, dass das als Entschuldigung durchgehen würde, doch er rümpfte nur die Nase.
Da ich ihn nicht verstimmen wollte, strich ich mir die Haare aus dem Gesicht und zog langsam die Brille ab.
Meine Mutter ist Apothekerin und sagt immer, dass man sich von lästigen Dingen mit einem Ruck befreien soll wie von einem Pflaster. Vielleicht hat sie damit sogar recht. Zumindest hatte ich Estebans Reaktion, als er mir in die Augen sah, nicht erwartet.
»Wow!«, rief er und beugte sich vor.
Ich lächelte schwach. Noch hatte ich nicht ganz begriffen, was dieser Ausruf bedeutete.
Er starrte mich an. Einen Moment lang hatte ich den Eindruck, beim Augenarzt auf dem Stuhl zu sitzen. Und das gefiel mir gar nicht. Schon von klein auf hatte ich viel zu viel Zeit als Versuchskaninchen bei irgendwelchen Spezialisten verbracht. Dann stützte er sein Kinn in die Hand, und ich wusste, dass ich mich entspannen konnte: Meine violetten Augen schienen ihm zu gefallen.
Es war wirklich eine Erleichterung. Ich hoffte nur, dass sich das Gespräch nun nicht bloß um meine Augen drehen würde, denn auf die war ich nicht unbedingt stolz.
Ich brauchte eine Pause von der Verlegenheit, die ich verspürte. »Ich gehe schnell mal zur Toilette und schminke mich«, sagte ich und stand auf.
Esteban wollte mich zurückhalten.
»Aber du bist spitze! Und du hast tolle Augen. Violett wie zwei Rubine.«
»Amethyste«, korrigierte ich ihn. »Rubine sind rot.«
Und dann ging ich.
Natürlich wollte ich mich nicht wirklich schminken, es war ein Vorwand, damit ich mich eine Weile verziehen konnte. Also nahm ich vorsorglich meine Handtasche mit.
Ich ging zur Toilette. Vor dem Spiegel waren zwei Mädchen eifrig mit ihrem Aussehen beschäftigt. Ich lächelte ein wenig ungeduldig und holte meine Wimpertusche aus der Tasche.
Ich stellte mich vor den Spiegel und sah mich an. Auch wenn es meine eigenen waren, diese violetten Augen mit den gelben Einsprengseln hatten mir immer Angst gemacht. Ich weiß, dass es verrückt klingt, so von einem Teil des eigenen Körpers zu sprechen, aber der Punkt war: Ich hatte das Gefühl, dass diese Augen nicht mir gehörten.
Ich hob den Blick und inspizierte meine Haare. Die waren ziemlich normal. Ich hatte hellbraunes, glattes Haar, was ich als ein Glück betrachtete, denn so brauchte ich wenigstens kein Glätteisen. Es wäre die Hölle gewesen, wenn ich mich darum mit meiner Mutter, die widerspenstige, blonde Haare hatte, hätte streiten müssen.
In diesen Augenblicken dankte ich
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