Ash Mistry und der Dämonenfürst (German Edition)
musste unterwegs einen Zwischenstopp einlegen, um einige Reparaturen vorzunehmen. Als sie die Stadt erreicht hatten, kehrten sie sofort zum Lalgur zurück. Ujba hatte ihnen etwas zu essen und die Möglichkeit gegeben, sich auszuruhen. Er war nicht sonderlich gesprächig gewesen, doch wann immer er mit Ash geredet hatte, hatten seine Augen einen wachsamen Ausdruck angenommen. Auch Hakim hatte einen Bogen um ihn gemacht. Ash war nicht mehr derselbe.
Doch nun waren sie hier, Ash und Lucky, Parvati und John, in der überfüllten Ankunftshalle des Flughafens von Varanasi. Ash schob den Finger in seinen Hemdkragen, um ihn zu lockern. Wie hatte er sich in solchen Klamotten je wohlfühlen können?
Er beobachtete einige neu ankommende Touristen. Eine Gruppe Kinder rannte herum, Familien standen lachend beieinander und Pagen rollten Gepäck durch die Halle. Ganz normales Alltagsgeschehen.
Und dabei wäre das alles fast vernichtet worden.
»Wo ist er?«, fragte Ash laut.
»Es ist gerade erst zwölf. Busse in Indien sind nie pünktlich – du kennst doch den Verkehr in Varanasi«, erklärte ihm John. »Bist du nervös?«
Nervös? Nachdem er die Welt gerettet hatte? Wie konnte ihn da noch irgendwas nervös machen?
»Ja, voll.«
Sobald sie im Lalgur angekommen waren, hatten sie ihre Mutter angerufen und jetzt warteten sie darauf, dass ihr Dad sie hier traf und sie gemeinsam nach Hause fliegen konnten.
Nach Hause. Wo war das? Ash hatte den vergangenen Monat damit zugebracht, von London zu träumen – aber jetzt fühlte es sich gar nicht danach an, als würde er heimkehren.
Lucky lächelte ihn an und wippte ungeduldig mit dem Fuß, die Augen auf den Aufzug gerichtet, der ihren Vater jeden Moment ausspucken musste.
Parvati stand wie immer etwas abseits und blickte zu Ash. Sie trug ihre dunkelste Sonnenbrille und schenkte ihm ein mattes Lächeln.
John folgte Ashs Blick und stieß ihn an. »Geh schon und sag was zu ihr.«
»Was denn?«
»Woher soll ich das wissen? Irgendwas. Was Nettes.«
Mit einem tiefen Seufzen willigte Ash ein.
»Ich hau ab«, sagte er, als er bei ihr ankam.
»Ich weiß.«
Ash kratzte sich am Daumen. »Kommst du klar?«
»Ich bin viertausendfünfhundertfünfzehn Jahre lang klargekommen. Ja, ich krieg das hin.«
»Klasse.« Ash zog erneut an seinem Kragen. Trotz seiner Klamotten, dem Hemd, dem Jackett, der Bügelfalte in der Hose und den polierten Schuhen, fühlte er sich nicht mehr wie ein »Engländer«. Er wollte hierbleiben, weil sein Herz ihm das sagte. Er gehörte nach Indien.
Aber es steckte noch mehr dahinter. Etwas, was er den anderen verschwiegen hatte. Sie hatten gesehen, wie er den Dämonenkönig besiegt hatte und praktisch geflogen war, aber seitdem hatte Ash versucht, wieder normal zu sein und so zu tun, als wären diese Superkräfte verschwunden. Allerdings fühlte er sich alles andere als normal.
Varanasi sehen und sterben.
So viele Pilger reisten an, um ihr Lebensende hier zu verbringen, und ihr Tod verlieh ihm neue Energie. Er nahm sie von überall in sich auf. Ständig nahm die Kraft in ihm zu und wieder ab, wie bei Ebbe und Flut, jeder sterbende Geist machte ihn stärker. Er musste nicht mehr schlafen, auch nicht mehr essen oder trinken. War er damit mehr als ein Mensch – oder weniger?
Was wurde aus ihm?
»Geht’s dir gut?«, fragte Parvati.
»Klar, warum?«
»Ach, keine Ahnung. Vielleicht weil Kali dich von den Toten zurückgeholt hat oder weil du die Kräfte eines Dämonenkönigs mit dir rumträgst. Halb so wild schätze ich.«
»Die Dinge haben sich verändert, Parvati.«
»Und deshalb musst du vorsichtig sein.«
Ash lachte. »Große Kraft bedeutet große Verantwortung, stimmt’s? Das hab ich schon bei Spiderman gelernt.«
»Hast du alle deine Lebensphilosophien aus Comics?«
»Macht das nicht jeder so?«
Parvati betrachtete ihn eindringlich. Obwohl ihre Augen hinter den Gläsern verborgen waren, spürte Ash, wie sie ihn durchdrangen. »Dann lass mich dir mal sagen, was ich denke«, sagte sie. »Macht verdirbt die Menschen und absolute Macht verdirbt sie völlig. Ist ein bekanntes Sprichwort, aber es stimmt. Also pass auf dich auf, Ashoka Mistry.«
»Er ist noch immer da draußen«, flüsterte Ash. »Ich sollte hierbleiben und dir beim Suchen helfen.«
»Dein Job hier ist getan. Jetzt musst du auf deine Schwester aufpassen. Mit Savage werde ich schon fertig.«
Savage. Allein der Gedanke an ihn ließ Wut in Ash hochkochen.
»Bleib locker, Ash«, sagte
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