Ashton, der Heißbluetige
Raine sich plötzlich zu Wort, nach der Aufmerksamkeit seines Vaters dürstend. „Sie sagt, es gehört einem Laird.“ „Ach ja?“ erkundigte sich Carr, seinem jüngsten Sohn ein sardonisches Lächeln schenkend. „Und warst du so dumm, ihr zu glauben?“
Selbst in dem schwachen Licht konnte sie erkennen, wie Raine die Röte ins Gesicht stieg.
„Und was ist mit dir, mein Junge?“ Carrs durchdringender Blick richtete sich auf Ash. „Hat dir das Geschwätz deiner Mutter Angst eingejagt? Hat dich der Gedanke, dass ein unbekannter, haariger Bursche mit ungehobelten Manieren eines Tages hereingestampft kommen und dein Erbe als sein Eigentum erklären könnte, beunruhigt?“
„Nein, Sir“, erwiderte Ash.
„Nein?“ Carr hob die Augenbrauen. „Dann bist du entweder ein Narr oder ein Schwächling.“ Das amüsierte Glitzern wich nicht aus seinen funkelnden Augen. „Ich verachte beides.“ Sie verstand nicht, warum er seine Söhne derart verabscheute. Aber er tat es. Jeden Tag mehr als am vorangegangenen. Vielleicht hasste er sie für das schottische Blut, das in ihren Adem floss, oder dafür, dass sie ein größeres Anrecht auf den Besitz von Wanton's Blush hatten als er, oder einfach für ihre Jugend und das, was aus ihnen zu werden versprach, etwas, dem er vor Jahren bei sich selbst den Rücken zugewandt hatte. Lediglich Fia schien seiner Abneigung entkommen zu sein.
„Sir, ich wollte nur . . .“
„Es wird kein Erbe geben“, unterbrach ihn Janet, da sie es nicht länger mit ansehen konnte, wie er mit dem Jungen sein grausames Spiel trieb. „Ihr habt meine gesamte Mitgift dafür ausgegeben, Maiden's Blush herauszuputzen wie eine billige Dirne. Und die Burg gehört Euch nicht.“ Die Worte brachen in einem Schwall aus ihr hervor, lange zurückgehalten und jetzt endlich ausgesprochen. „Sie gehört den McClairen. Ihr habt geschworen, Colin McClairens Sache zu vertreten, zu erklären, dass er gar nicht im Lande war, als Ian sich gegen die Krone verschworen hat. Aber Colin lebt völlig mittellos in einem halb verfallenen Turm, und Ihr habt nichts unternommen, ihm zu helfen.“
„Ich habe getan, was ich konnte, um die Angelegenheit Colin McClairen zu erledigen.“ Sein völlig ausdrucksloses Gesicht machte ihr Angst.
Er hatte dem neuen Laird etwas angetan. Sie konnte es ihm an den Augen ablesen. Sie begann zu zittern. Sie hätte alles für ihre Kinder getan, alles. Sie hatte ihnen zuliebe ihre Zunge im Zaum gehalten, aber jetzt fragte sie sich zum ersten Mal, ob sie ihnen damit tatsächlich einen Gefallen getan hatte. Die Wahrheit hätte sie vielleicht besser als ihr Schweigen für das Leben gewappnet, das ihnen bevorstand.
„Da die Krone mir Wanton's Blush - oh, wie ich diesen Namen liebe - übergeben hat, bis über die Zukunft der Burg entschieden ist“, fuhr Carr fort, „werde ich meinen Aufenthalt hier erträglich gestalten. Doch ich wage zu sagen, dass ich hier nicht lange bleiben werde. Diese Abendgesellschaft heute ist bedeutsam für mich, ein erster Schritt in Richtung meiner Rückkehr nach London. Wisse dies, mein liebes Weib, ich werde tun, und ich habe immer getan, was auch immer nötig war oder ist, um in der Gesellschaft wieder den Platz einnehmen zu können, der mir zusteht.“
Einst hatte sie ihn geliebt, und mehr der Erinnerung als dem wirklichen Mann neben ihr streckte sie die Hand entgegen. „Ihr habt mich geliebt, Carr“, murmelte sie. „Ihr wart so voller Verheißung, besaßt eine so hohe Intelligenz und ein so sicheres Auftreten, doch all das ist vergeudet worden!“ Carrs Gesicht verzog sich in maßlosem Zorn. Er packte sie am Arm und zerrte sie in die Höhe. „Es ist spät. Du wirst dieses Ding nicht tragen.“
Sie wand sich in seinem Griff. Die plötzliche Bewegung riss die Kleine aus dem Schlaf. Janets Schal zerriss mit einem scharfen Geräusch, und Fia begann zu weinen.
„Ich bin der Earl of Carr. Ich habe zehn Jahre gewartet, meine Rückkehr in die Gesellschaft vorzubereiten, für die ich geboren wurde, zu der zu gehören ich ein Recht habe. Du wirst nichts, hörst du, nichts unternehmen, das zu gefährden.“
Er war zornrot geworden, doch sie war ebenfalls wütend. Fast zwei Jahre lang hatte sie die Wahrheit vor sich selbst geleugnet, aber das konnte sie nicht länger. Den Schal mit den Farben der McClairen hielt er zerfetzt in der Hand, ein Sinnbild für das Schicksal ihres Clans - zerrissen von Carrs unerbittlicher Habgier und seinem erbarmungslosen
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