Assassine - Hüterin des Drachenbaums (German Edition)
zusammengerückt. Hin und wieder gab es zwar kleine Streitereien, aber nichts, das die Abgesandten des Rubinordens nicht durch Worte regeln konnten. Eriel war ein guter Großmeister, seine Weisheit war mittlerweile legendär in ganz Tiro. Tauchte dennoch jemand auf, der meinte, er könne sich über die Regeln und Gesetze hinwegsetzen und den Frieden durch seine Unbelehrbarkeit bedrohen, kümmerten sich die Hüter des Drachenbaums diskret um ihn. In der Regel wurden solcherlei Probleme mit einem Dolch in der Nacht gelöst. Außer einigen Auserwählten und natürlich den Mitgliedern selbst wusste niemand von der Existenz des Zirkels. Aufträge gegen Bezahlung nahmen die Hüter nicht an. Sie handelten vollkommen selbstständig.
Doch die Zeiten wurden mit der Dauer des Friedens komplizierter. Neue Machtgeflechte entstanden im Verborgenen und die Korruption wuchs wieder stetig. In ihrer Naivität hatte Ari damals geglaubt, dass mit dem Fall Anzbachers die Gier in den Lebewesen erloschen sei, aber das Gegenteil war der Fall. Andere kamen und wollten den Platz des ehemaligen Kaufmanns, der sich zu absoluter Macht hatte aufschwingen wollen, einnehmen. Diese Ambitionen wurden aber schnell von einem oder mehreren Assassinen im Keim erstickt.
Die oberste Hüterin fand, dass sie und ihre Freunde in den vergangenen Wintern gute Arbeit geleistet hatten. Mehr als zweihundert Hüter aus ganz Tiro versammelten sich unter ihrem Banner und versorgten sie mit den Informationen,die sie brauchte, um die richtigen Schritte einzuleiten. In den größten Städten waren Gruppen organisiert, die höchstens zehn Mitglieder umfassten. Ein Sprecher erstattete einem der Offiziere Bericht und dieser leitete alles an den Hauptsitz in Donnerstein weiter, dort trat dann der Rat der Meister mit Mitgliedern aus fast allen Völkern Tiros zusammen und beriet das weitere Vorgehen. Natürlich war immer etwas zu verbessern und der Rat arbeitete auch stetig daran, dennoch gab es immer einige Gerissene, die erst entlarvt wurden, wenn es fast zu spät war.
Sai tauchte vor Aris geistigem Auge auf. Er lächelte sie an und ihr wurde schwer ums Herz. »Gräm dich doch nicht so. Du hast ihm Erlösung gebracht! Glaube mir, er war dir dankbar, dass du es getan hast. Oder denkst du wirklich, er war glücklich mit einem Dämon in sich, der ihn alles mit ansehen ließ, aber ihn hinderte, etwas dagegen zu unternehmen?« Es war die Stimme ihrer Unterarmklinge, die in ihrem Kopf hallte. Sie hieß Ursian, so jedenfalls hatte sie es selbst vor einigen Wintern offenbart.
»Du hast ja recht, aber …«
»Kein aber, es war richtig und aufrichtig und zeugt von großer Zuneigung, dass du immer noch um ihn trauerst, aber wir sind hier, um einen Schuldigen seiner gerechten Strafe zuzuführen. Also konzentrier dich.«
Ari nickte nur und zog ihren Umhang enger, um dem beißenden Wind zu trotzen, der zwischen den Gassen wehte. Sie versuchte, sich abzulenken und an etwas anderes zu denken. Heute war der erste Tag, an dem es nicht schneite. Dafür wurde es nun in den Nächten empfindlich kälter als zuvor. Sie trat von einem Bein auf das andere, um die Wärme in die Glieder zurückzubringen. Sie verhielt sich wie alle anderen auch, die noch unterwegs waren, denn es war sehr wichtig, nicht aufzufallen. Ihr Ziel, ein mächtiger Hetmann der Nordmänner, war sehr misstrauisch und schon einigen Bemühungen der Hüter, ihn zu eliminieren, entkommen. Er stellte eine enorme Gefahr für das Gleichgewicht dar, denn angeblich wusste er um ein Grab, in dem ein Elfenkönig mit einem magischen Artefakt begraben lag, das dazu verwendet werden konnte, die Tore in die Welt der Dämonen zu öffnen. »Warum glauben diese Leute eigentlich immer, sie könnten sich solch eine Macht dienstbar machen?« Bei dem Gedanken an diese Dummheit und Verblendung stieg Wut in der Assassine auf.
Das Geräusch von mehreren genagelten Stiefeln auf Stein erregte Aris Aufmerksamkeit. Einige Wächter, die mit Hellebarden bewaffnet waren, kamen um eine Ecke. Schnell zog sich die Dunkle in einen finsteren Hauseingang zurück und bewegte sich nicht mehr. Sie konnte erkennen, dass die Söldner das Wappen und die Farben des gesuchten Hetmanns trugen. Auf dem knielangen Rock, den sie über Kettenhemd und -hose trugen, prangte ein feuerspeienderschwarzer Drache auf weißem Grund. Ein eisiges Lächeln zog sich über das Gesicht der Assassine. Dieser »Adelige« hatte sich seinen Titel und das dazugehörige Wappen erkauft. Warum
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