Atlan 06 - Rudyn 03 - Acht Tage Ewigkeit
Müllfrachters erwachte brüllend zum Leben. Patty übernahm die Schute in Handsteuerung.
Mit einem Ruck zog RGC-06 das Scheiben-Segment des Containers aus der Dockingbucht. Metall kreischte, Spuren von gefrorener Atmosphäre und abgeriebenen Außenhautsplittern wirbelten im Licht der grellen Ladescheinwerfer der Schubsektorbucht davon.
Etwas fiel um und polterte dumpf im Inneren des Containers – Patty konnte die Vibrationen bis vorn in der Pilotenkanzel spüren .
Einer der Grünbalken wurde kürzer und wechselte seine stete Farbe zu nachhaltig blinkendem gelb.
»So eine dreimal verfluchte Scheiße!«, quetschte Patty Ochomsova aus dem Mundwinkel hervor.
Hinter dem Frachter blieb die ZUIM zurück.
Majestätisch langsam drehten sich die vier Ringe des Sphärenrades ineinander, ein verwirrender und zugleich ungemein schöner Anblick, dem Patty normalerweise eine halbe Stunde Aufmerksamkeit geschenkt hätte, obwohl sie ihn in der Woche dreimal sah. Jetzt warf sie nicht einen einzigen Blick auf den Heckbildschirm.
Die ZUIM – und das, was derzeit auf dem neuen Flaggschiff der Union vor sich ging – war nicht länger ihr Problem.
Sie kämpfte gegen entnervend gelbblinkende Balken.
Kontamination! stand daneben. Schadenseskalation wahrscheinlich. Persönliche Inaugenscheinnahme dringend erforderlich.
»Warnung!«, erklang die Stimme der Schiffspositronik. Mit einem Fluch schaltete die Pilotin die Internakustikfelder auf Mute .
»Archotique!«, brüllte sie nach hinten. »Bring mir meinen Raumanzug. Und zwar schnell.«
Sie programmierte einen Anflugkurs auf Rudyn, aktivierte den Autopilot und wuchtete sich schweratmend aus dem Pneumokontursessel.
Die Borduhr zeigte den 15. September 3102, 16:49:13 Standardzeit.
Nimm, was du hast und mach was draus
Atlan; Gegenwart
Die Minuten streckten sich zur Ewigkeit.
Wir warteten. Das Geräusch unseres Atems machte die Stille im Inneren des Segment-Containers nur noch intensiver. Und bedrückender. Wir warteten. Und keinem von uns fiel es leicht. Noch zitterten mir und gewiss auch den anderen die Muskeln von der gerade hinter uns liegenden Anstrengung. Noch schmerzten die Lungen von der Gluthitze des überstandenen Gefechts. Noch – seltsam genug – lebten wir. Und warteten.
Oderich Museks Atem kam stoßweise. Der durch den herabgefallenen Stahlträger verletzte Mann hielt sich die Rippen und lag ausgestreckt auf einem einigermaßen weichen Haufen aus Verpackungsmaterial. Über ihm glomm eine Art Notbeleuchtung an der Wand.
Wir anderen hockten neben Musek auf einer offenen, mehrere Meter durchmessenden Wanne, die mit losem Wartungsschrott bis an den Rand gefüllt war.
Graue Schatten waren wir, gestrandet auf einer Insel aus Kabelresten, ausgetauschten Ersatzteilen, defekten Synthetikfetzen, Metallspänen, eingerissenen Plastverkleidungen, Dämmfolien und anderem, größtenteils nicht identifizierbarem Techno-Gerümpel. Zu meinem Erstaunen erblickte ich zwischen fortgeworfenen Lesespulen in einer Ecke ein schmutziges Handtuch. Es war einmal hellblau gewesen und trug die merkwürdige eingestickte Inschrift Verzage nie .
Überall stapelten sich Fässer und Plastiktonnen undefinierbaren Inhalts, Metallkisten und sonstige Behältnisse aller Art. Daneben lagen defekte Roboterteile, fehlgeschweißte Metallplatten und verkrustete Farbsprühflaschen, vorwiegend in grau und dunkelrot. Es sprach für die Union, dass sie das Zeug nicht einfach in den Weltraum kippten, sondern auf Rudyn einer Verwertung zuführten.
Trilith Okt atmete gleichmäßig und tief. Sie hatte eine Sitzhaltung eingenommen, um keshan’ma zu absolvieren, eine Dagor-Atemübung zur raschen Regeneration.
Neife Varidis sog die Luft tief ein. Das lange, weite graue Kleid der Geheimdienstchefin verschmolz mit den Schatten ringsum zu einem konturlosen Fleck.
Sie streifte mich immer wieder mit ihrem Blick. Meine Gegenwart – die Anwesenheit des Lordadmirals der United Stars Organisation – in der Höhle des Löwen, im Zentrum der Zentralgalaktischen Union und damit im Hoheitsgebiet einer fremden, mehr oder weniger feindlich gesinnten Macht, hatte sie vor kurzem als immens hohes Risiko bezeichnet.
Sie nannte es ein gefährliches Spiel mit dem Feuer , präzisierte der Extrasinn. Ihr seid euch ähnlich; sie neigt wie du zu Untertreibungen.
Ich verzichtete auf eine Antwort. Es wäre sinnlos gewesen, die Wahrheit abzustreiten.
Falls man mich entdeckte und bloßstellte … Die Nachricht hierüber
Weitere Kostenlose Bücher