Atlan TH 0002 – Schergen der SOL
würde schon für Ordnung sorgen.«
»Wenn er sich da nur nicht irrt«, meinte Atlan leise.
Valara hatte die mitgebrachten Speisen inzwischen ausgebreitet. Sie forderte Atlan zum Essen auf.
»Edo hat auch Hunger«, meldete sich da ihr Gefangener.
Atlan hielt einen frischen Laib Brot in die Höhe. Edo konnte ihn deutlich sehen.
»Warum sollte ich dir etwas abgeben, wenn du uns doch nur überfallen und fressen willst?«, fragte er.
In Edos Augen bildeten sich Tränen. »Edo will nicht böse sein. Edo hat nur Hunger. So großen Hunger.« Die Schuppenhaut des Chamäleonmenschen wechselte mehrmals schnell hintereinander die Farbe. Schließlich färbte sie sich aschgrau.
Atlan beschloss, einen Versuch zu wagen. »Ich könnte dich freilassen und dir etwas zu essen geben, Edo«, sagte er. »Aber du müsstest uns versprechen, dass du unser Freund bist.«
Die Augen des Ausgestoßenen öffneten sich weit.
»Edo weiß nicht, was versprechen ist«, flüsterte er dann wehleidig.
»Du musst sagen, dass du uns nicht mehr angreifst. Und du musst dich daran halten.«
»Dann verspreche ich. Ganz bestimmt.«
Valara Brackfaust blickte Atlan unsicher an. Sie war offensichtlich nicht ganz mit dem Plan des Arkoniden einverstanden, wagte aber nicht zu widersprechen.
»Wir können uns gegenseitig helfen«, redete Atlan weiter. »Wenn du mich jedoch anlügst, werden wir zu Feinden – und du weißt, dass ich stärker bin als du.«
»Das weiß Edo«, murmelte der Chamäleonmensch. »Edo ist jetzt Freund. Hungriger Freund.«
Atlan beugte sich über ihn. Das Brot klemmte er sich dabei unter einen Arm. Rasch löste er das Drahtseil von Edos Körper. Dann schob er die Kiste zur Seite.
»Steh auf, Edo. Du bist jetzt unser Freund. Wir werden dafür sorgen, dass du immer zu essen hast.«
Argan U trat ängstlich ein paar Schritte zurück. Seine beiden Arme umklammerten sein Destilliergerät.
Edo kam mühsam auf die Beine. Er stand dicht vor Atlan, den er deutlich an Körperlänge überragte. Das Brot klemmte immer noch unter dem Arm des Arkoniden, aber der Riese wagte es nicht, danach zu greifen.
»Du bist sogar stärker als Papa«, sagte Edo.
Atlan sah ihn prüfend an. Jede Faser seines Körpers war gespannt, um einem eventuellen Angriff begegnen zu können.
»Edo hat Hunger.«
»Du bist jetzt unser Freund«, wiederholte der Unsterbliche noch einmal. Dann streckte er Edo das Brot hin. »Ich heiße Atlan, das ist Valara, und unser kleiner Begleiter dahinten heißt Argan.«
Der Chamäleonmensch griff vorsichtig nach dem Brotlaib. Er schien Atlan ebenso wenig zu trauen wie dieser ihm.
»Edo hat schon einmal einen Freund gehabt.« Bedächtig biss er in das Brot. Er kaute langsam, wobei seine Blicke immer wieder über die beiden Menschen und den Puschyden hinwegflogen. »Edos Freund ist aber schon lange tot.« Er hob einen Flossenarm und bildete mit den verkümmerten Fingern den Lauf einer Waffe nach. »Zisch. Peng.«
»Du meinst, er wurde erschossen?«, fragte Valara.
»Ja«, sagte Edo mit feuchtem Blick. Er hockte sich auf die Kiste und aß langsam das Brot. Valara reichte ihm etwas zu trinken.
»Ich schätze seinen Verstand auf den eines sechs- oder siebenjährigen Kindes«, sagte Atlan. Er sprach so leise, dass nur Valara ihn hören konnte. »Vielleicht kann er uns behilflich sein.«
Die Terra-Idealistin wusste nicht, was sie erwidern sollte, also schwieg sie.
Atlan konnte sich ein ungefähres Bild vom Schicksal dieses Ausgestoßenen machen. Wenn er daran dachte, dass es noch mehr mutierte Solaner dieser Art auf dem Schiff gab und dass sich offensichtlich niemand um sie kümmerte, lief es ihm eiskalt den Rücken hinunter.
Es war erschreckend zu sehen, was aus den Plänen und Träumen der einstigen Solaner geworden war. Wenn die Männer und Frauen, die vor über zweihundert Jahren die Unabhängigkeit der SOL gefeiert hatten, das gewusst hätten, wäre wohl vieles anders gekommen. Da war der kluge, wenn auch eigenwillige Joscan Hellmut gewesen. Oder der Kosmobiologe Gavro Yaal. Oder der feinfühlige Telepath Bjo Breiskoll. Sie alle mussten schon lange tot sein, aber sie waren es gewesen, die letztlich die Weichen für die weitere Entwicklung der SOL gestellt hatten.
Was war damals schiefgegangen? Niemand hatte diesen Weg vorhersehen können, nicht einmal SENECA, die scheinbar allgegenwärtige Biopositronik.
Atlan dachte auch an die Kosmokraten, die ihm seinen Auftrag gegeben hatten. Einen Auftrag, den er ohne die SOL nicht
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