Atlantis
Freund?« Sie lachte. »Ja? Schön für dich! Aber ich verrate dir ein Geheimnis, Schätzchen - er ist genau wie sein Daddy und dein Daddy und alle anderen. Geh ins Badezimmer. Ich mach dich sauber und bringe dir was zum Anziehen. Herrgott, was für ein Schlamassel!«
Carol sah sie noch einen Augenblick an, dann drehte sie sich um und ging ins Badezimmer. Ihr nackter Rücken sah klein und verletzlich aus. Und weiß. So weiß im Kontrast zu ihren braunen Armen.
»Carol!«, rief Ted ihr nach. »Ist es jetzt besser?« Bobby glaubte nicht, dass er ihren Arm meinte. Diesmal nicht.
»Ja«, sagte sie, ohne sich umzudrehen. »Aber ich kann sie immer noch hören, weit weg. Sie schreit.«
»Wer schreit?«, fragte Liz. Carol antwortete ihr nicht. Sie ging ins Badezimmer und machte die Tür zu. Liz sah die
Tür einen Moment lang an, als wollte sie sich vergewissern, dass Carol nicht plötzlich wieder herauskam, dann drehte sie sich zu Ted um. »Wer schreit?«
Ted sah sie nur wachsam an, als rechnete er jeden Augenblick mit einer weiteren ballistischen Attacke.
Liz begann zu lächeln. Es war ein Lächeln, das Bobby kannte: ihr Ich-verliere-gleich-die-Beherrschung-Lächeln. War es möglich, dass sie noch welche übrig hatte, die sie verlieren konnte? Das Lächeln verzerrte ihr Gesicht mit den blau geschlagenen Augen, der gebrochenen Nase und der geschwollenen Lippe zu einer grässlichen Fratze: nicht seine Mutter, sondern eine Irre.
»Ganz der gute Samariter, hm? Wie oft ist Ihnen denn fast einer abgegangen, als Sie sie heil gemacht haben? Ist nicht viel dran an ihr, aber ich wette, Sie haben das gründlich geprüft, oder? Nie eine Gelegenheit auslassen, was? Na los, gestehen Sie’s Ihrer Mama.«
Bobby sah sie mit wachsender Verzweiflung an. Carol hatte ihr alles erzählt - die ganze Wahrheit -, und es war völlig egal. Völlig egal! Gott im Himmel!
»Es gibt einen gefährlichen Erwachsenen in diesem Zimmer«, sagte Ted, »aber ich bin es nicht.«
Ihre Miene war zuerst verständnislos, dann ungläubig, dann wütend. »Wie können Sie es wagen? Wie können Sie es wagen? «
»Er hat gar nichts getan!«, schrie Bobby. »Hast du nicht gehört, was Carol gesagt hat? Hast du nicht …«
»Halt den Mund«, sagte sie, ohne ihn anzusehen. Ihr Blick war nur auf Ted gerichtet. »Die Cops werden sich sehr für Sie interessieren, glaube ich. Don hat am Freitag in Hartford angerufen, bevor … bevor. Ich hab ihn drum gebeten.
Er hat da Freunde. Sie haben nie für den Staat Connecticut gearbeitet, nicht in der Innenrevision und auch sonst nirgends. Sie waren im Gefängnis, hab ich recht?«
»In gewissem Sinn könnte man das sagen, ja«, erwiderte Ted. Trotz des Blutes, das ihm über die Wange rann, wirkte er jetzt ruhiger. Er zog die Zigaretten aus seiner Hemdtasche, sah sie an, steckte sie wieder zurück. »Aber in keinem Gefängnis, wie Sie es sich vorstellen.«
Und nicht in dieser Welt, dachte Bobby.
»Weshalb?«, fragte sie. »Weil Sie ein Kleine-Mädchen-Tröster ersten Grades sind?«
»Ich habe etwas Wertvolles«, sagte Ted. Er hob die Hand und tippte sich an die Schläfe. An dem Finger, mit dem er daran getippt hatte, blieben Blutflecken zurück. »Es gibt noch andere wie mich. Und es gibt Leute, deren Aufgabe darin besteht, uns zu fangen, uns festzuhalten und zu benutzen, um … nun, uns zu benutzen, belassen wir’s dabei. Ich und zwei andere sind entkommen. Einer wurde eingefangen, einer getötet. Nur ich bin noch frei. Das heißt …« Er sah sich um. »… wenn man das Freiheit nennen kann.«
»Sie sind verrückt. Der verrückte alte Brattigan, total plemplem. Ich rufe die Polizei. Sollen die entscheiden, ob sie Sie wieder ins Gefängnis stecken wollen, aus dem Sie ausgebrochen sind, oder ins Irrenhaus von Danbury.« Sie bückte sich und griff nach dem heruntergefallenen Telefon.
»Nein, Mama!«, sagte Bobby und streckte die Hand aus. »Tu das nicht …«
»Bobby, nein!«, sagte Ted scharf.
Bobby zog die Hand zurück und sah erst seine Mutter, die das Telefon aufhob, und dann Ted an.
»Nicht in ihrem jetzigen Zustand«, erklärte ihm Ted. »In ihrem jetzigen Zustand kann sie nicht aufhören, um sich zu beißen.«
Liz Garfield warf Ted ein strahlendes, nahezu unbeschreibliches Lächeln zu - guter Versuch, du Mistkerl - und nahm den Hörer ab.
»Was ist los?«, rief Carol aus dem Badezimmer. »Kann ich jetzt rauskommen?«
»Noch nicht, Schatz«, rief Ted zurück. »Noch einen Augenblick.«
Liz drückte
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