Atlantis
ist das?«
»Schicksal.« Ted hatte das meiste Blut aus seinen Haaren gerieben. Er drehte das Wasser ab und warf einen letzten prüfenden Blick auf sein Geisterbild im Fenster. Dahinter
lag dieser ganze heiße Sommer, so jung, wie Ted Brautigan es nie wieder sein würde. So jung, wie auch Bobby es nie wieder sein würde, wenn man es recht bedachte. » Ka ist das Schicksal. Hast du mich gern, Bobby?«
»Das wissen Sie doch«, sagte Bobby und begann erneut zu weinen. In letzter Zeit schien er nur noch zu weinen. Die Augen taten ihm weh davon. »Und wie.«
»Dann versuch, deiner Mutter ein Freund zu sein. Um meinetwillen, wenn nicht um deinetwillen. Bleib bei ihr und hilf ihr, damit ihre Verletzungen heilen. Und ab und zu schicke ich dir eine Postkarte.«
Sie gingen wieder ins Wohnzimmer zurück. Bobby fühlte sich langsam ein bisschen besser, aber er wünschte, Ted hätte ihn in den Arm nehmen können. Das wünschte er sich mehr als alles andere.
Die Badezimmertür ging auf. Carol kam zuerst heraus. Sie hielt den Blick mit untypischer Schüchternheit auf die Füße gesenkt. Ihre Haare waren nass gemacht, zurückgekämmt und mit einem Gummiband zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden worden. Sie trug eine alte Bluse von Bobbys Mutter; die Bluse war so groß, dass sie ihr fast bis auf die Knie reichte, wie ein Kleid. Von ihren roten Shorts war nichts zu sehen.
»Geh auf die Veranda raus und warte da«, sagte Liz.
»Okay.«
»Und geh nicht ohne mich nach Hause, ist das klar?«
»Nein!«, sagte Carol, und Entsetzen machte sich auf ihrem bedrückten Gesicht breit.
»Gut. Stell dich zu meinen Koffern.«
Carol ging zur Eingangshalle hinaus, dann drehte sie sich um. »Danke, dass Sie meinen Arm wieder eingerenkt
haben, Ted. Hoffentlich kriegen Sie keinen Ärger deswegen. Ich wollte …«
»Geh raus auf die verdammte Veranda «, fuhr Liz sie an.
»… niemand in Schwierigkeiten bringen«, schloss Carol mit winziger Stimme, fast wie das Wispern einer Maus in einem Zeichentrickfilm. Dann ging sie hinaus, und Liz’ Bluse flatterte auf eine Weise um sie herum, die an einem anderen Tag komisch gewesen wäre. Liz drehte sich zu Bobby um, und als er sie nun richtig vor sich sah, sank ihm das Herz. Ihre Wut war neu angefacht worden. Eine leuchtende Röte hatte sich über ihr zerschlagenes Gesicht und ihren Hals ausgebreitet.
Ach du liebes bisschen, was ist denn nun schon wieder?, dachte Bobby. Dann hielt sie den grünen Schlüsselanhänger hoch, und er wusste Bescheid.
»Wo hast du das her, Bobby-O?«
»Ich … es …« Aber ihm fiel einfach nichts ein: keine Flunkerei, keine direkte Lüge, nicht einmal die Wahrheit. Bobby war auf einmal sehr müde. Er wollte nur noch eins, nämlich in sein Zimmer schleichen, sich unter seinen Bettdecken verstecken und einschlafen.
»Ich hab’s ihm gegeben«, sagte Ted milde. »Gestern.«
»Sie haben meinen Sohn in eine Buchmacherspelunke in Bridgeport mitgenommen? In einen Pokersalon in Bridgeport?«
Auf dem Schlüsselanhänger steht nichts von Buchmacherspelunke, dachte Bobby. Da steht auch nichts von Pokersalon … solche Sachen sind nämlich gegen das Gesetz. Sie weiß, was da los ist, weil mein Vater dorthin gegangen ist. Und der Apfel fällt nicht weit vom Stamm. So sagt man doch, der Apfel fällt nicht weit vom Stamm.
»Ich war mit ihm im Kino«, sagte Ted. » Das Dorf der Verdammten , im Criterion. Während er sich den Film angesehen hat, bin ich ins Corner Pocket gegangen, um dort etwas zu erledigen.«
»Und was?«
»Ich habe auf einen Boxkampf gewettet.« Einen Moment lang sank Bobbys Herz noch tiefer, und er dachte: Was ist los mit dir? Warum hast du nicht gelogen? Wenn du wüsstest, wie sie über solche Sachen denkt …
Aber er wusste es. Natürlich wusste er es.
»Eine Wette auf einen Boxkampf.« Sie nickte. »Aha. Sie haben meinen Sohn in einem Kino in Bridgeport allein gelassen, damit Sie eine Wette auf einen Boxkampf abschließen konnten.« Sie lachte wild. »Ach ja, ich sollte vermutlich dankbar sein, wie? Sie haben ihm so ein nettes Souvenir mitgebracht. Wenn er irgendwann mal beschließt, selbst zu wetten oder sein Geld beim Pokern zu verlieren wie sein Vater, dann weiß er, wohin er gehen muss.«
»Ich habe ihn zwei Stunden in einem Kino allein gelassen«, sagte Ted. »Sie haben ihn mit mir allein gelassen. Er scheint beides überlebt zu haben, oder?«
Liz sah einen Moment lang aus, als hätte man sie geohrfeigt, dann, als würde sie in Tränen
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