Attack Unsichtbarer Feind: Ein neuer Fall für Special Agent Pendergast (German Edition)
seinem Schreibtisch standen ein paar Stühle und ein Beistelltisch. Dazu kam ein ramponiertes Schränkchen mit einem elektrischen Kocher, einem Wasserkessel und einer Teekanne darauf, was eine informelle Sitzecke inmitten des Staubs und der Dunkelheit ergab. Corrie ließ sich auf einen der Stühle fallen und legte ihre Aktentasche laut und vernehmlich auf den Stuhl neben sich. »Pfui Teufel!«
Bloom hob die Brauen in stummer Frage.
»Carbone. Er hat wieder mal einen Entwurf für meine Semesterarbeit abgelehnt. Jetzt muss ich wieder ganz von vorn anfangen.«
»Carbone«, sagte Bloom mit seiner hohen Stimme, »ist bekanntermaßen ein Arsch.«
Das weckte Corries Interesse. »Sie kennen ihn?«
»Ich kenne jeden, der hier runterkommt. Carbone! Er stellt sich immer an, dass er nur kein Stäubchen auf seine Ralph-Lauren-Anzüge bekommt, und nervt mich, weil er mich ständig ins Archiv schickt, um irgendetwas zu holen. Darum kann ich nie was für ihn finden, der Arme … Aber Sie kennen sicherlich den wahren Grund, weshalb er die Ideen für Ihre Semesterarbeit immer wieder ablehnt, oder?«
»Weil ich Studentin im Grundstudium bin, nehme ich an.«
Bloom legte einen Finger an die Nase und nickte verständnisvoll. »Genau. Außerdem ist Carbone von der alten Schule, ein Paragraphenreiter.«
Davor hatte Corrie Angst gehabt. Der Rosewell-Preis für die beste Semesterarbeit des Jahres war am John Jay heiß begehrt. Gewonnen wurde er häufig von älteren Semestern, die später äußerst erfolgreich Karriere bei der Polizei machten. Soweit sie wusste, hatte noch nie jemand aus dem Grundstudium den Preis gewonnen, mehr noch: Diese Studierenden wurden insgeheim entmutigt, ihre Arbeit einzureichen. Allerdings gab es auch keine Vorschrift dagegen; und Corrie lehnte es ab, sich von solchen bürokratischen Hürden abschrecken zu lassen.
Bloom hielt die Teekanne hoch und lächelte sein Gelbzahn-Lächeln. »Tee?«
Sie betrachtete die eklige Teekanne, die offenbar seit Jahren nicht mehr abgewaschen worden war. »Das ist eine Teekanne? Ich habe sie für eine Mordwaffe gehalten. Sie wissen schon, gefüllt mit Arsen und bereit, eingesetzt zu werden.«
»Immer eine schlagfertige Antwort parat. Aber Ihnen ist sicher bewusst, dass die meisten Giftmörder Frauen sind. Wäre ich ein Mörder, würde ich das Blut meines Opfers sehen wollen.« Er schenkte den Tee ein. »Carbone hat also Ihr Konzept abgelehnt. Welch Überraschung! Und wie lautet Ihr Plan B?«
»Das war mein Plan B. Ich hatte gehofft, Sie könnten mir ein paar neue Ideen vorschlagen.«
Bloom setzte sich in seinem Stuhl zurück und schlürfte geräuschvoll seinen Tee. »Mal sehen. Wenn ich mich recht entsinne, ist Ihr Hauptfach forensische Osteologie, nicht wahr? Wonach genau suchen Sie denn?«
»Ich muss einige menschliche Skelette untersuchen, die Antemortem- oder Perimortem-Verletzungen aufweisen. Haben Sie vielleicht Fallakten, die auf irgendwas in der Art hindeuten?«
»Hm.« Sein ramponiertes Gesicht legte sich in Falten der Konzentration.
»Das Problem ist, an menschliche Überreste ist schwer ranzukommen. Es sei denn, ich gehe ganz weit zurück. Aber damit mache ich eine andere Büchse der Pandora auf, nämlich was die Empfindlichkeiten der amerikanischen Ureinwohner betrifft. Und ich suche nach Überresten, für die es verwertbare schriftliche Aufzeichnungen gibt.
Historische
Überreste.«
Noch einmal schlürfte Bloom ausgiebig seinen Tee. Ein nachdenklicher Ausdruck trat in sein Gesicht. »Knochen. Ante- oder Perimortem-Schäden. Historisch. Gute Aufzeichnungen. Zugänglich.« Er schloss die Augen; seine Lider waren so dunkel und geädert, dass sie aussahen, als wäre er geschlagen worden. Corrie wartete und lauschte den tickenden Geräuschen im Archiv, dem leisen Summen der Lüftungsanlage und einem Getrappel, von dem sie fürchtete, es könnte von Ratten stammen.
Bloom schlug die Augen wieder auf. »Mir ist gerade was eingefallen. Haben Sie schon mal was von den Baker Street Irregulars gehört?«
»Nein.«
»Das ist ein sehr exklusiver Club von Sherlock-Holmes-Anhängern. Alljährlich veranstalten sie in New York ein Galadiner und veröffentlichen alle möglichen Arten von Holmes-Forschungen, wobei sie behaupten, bei Holmes habe es sich um eine wahre Person gehandelt. Nun, einer dieser Burschen ist vor ein paar Jahren gestorben, und seine Witwe, die nicht wusste, was sie damit anfangen sollte, hat seine ganze Sammlung mit Sherlockiana an uns verschifft.
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