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Attila - Die Welt in Flammen

Attila - Die Welt in Flammen

Titel: Attila - Die Welt in Flammen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Napier
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Marcianopolis überblickten: «Sie kommen! Die Feldarmee ist im Anmarsch!»
    Doch dieser Ausruf blieb aus.
    Von den Mauern aus sahen sie in den Hügeln hie und da Feuer lodern, in Brand gesteckte Dörfer. Sie hörten die schrillen Rufe von Nachtvögeln, das Bellen eines Fuchses. Ansonsten aber kamen sie sich schrecklich einsam und verlassen vor. Als wären sie die letzten Menschen auf Erden, umgeben von Finsternis und von den Mächten der Finsternis.
    Kein Mensch wusste auch nur von ihrer Lage. Der Rest des Reiches schlief heute Nacht in seliger Ahnungslosigkeit. Anscheinend war es keinem einzigen Flüchtling aus der Gegend, keinem Schäfer, keinem umherziehenden Kesselflicker gelungen, sich bis nach Naissus, diesem Knotenpunkt, an dem fünf Fernstraßen aufeinandertrafen, oder nach Ratiaria mit seinen riesigen Waffenmanufakturen durchzuschlagen, um den Barbareneinfall zu melden. Niemand kam, um ihnen bei diesem Kampf gegen Zehntausende Wilde beizustehen, die jetzt aus den Tälern, in denen sie sich verborgen hatten, wieder in die Ebene geströmt kamen. Und unter Sabinus’ Befehl standen gerade einmal zweitausend Mann, bestenfalls, viele davon Bauern, die in der Hilfstruppe dienten. An ausgebildeten Männern mit entsprechender Ausrüstung und Bewaffnung standen ihm nur kümmerliche fünfhundert zur Verfügung.
    Wolkenfetzen zogen über den Mond. Am Fluss stieg Nebel auf. Eine scheußliche Beklemmung lag in der Luft. Vor wenigen Stunden noch hatte er sich an seinem Schreibtisch mit der Legionsbuchhaltung herumgeschlagen. Wie unendlich lange schien das nun her zu sein.
    Ein Schrei gellte durch die Nacht. Der Legat zuckte vor Schreck zusammen, horchte angestrengt. Der aufziehende Nebel dämpfte alle Geräusche. Etwa immer noch Geschrei, das aus Margus herüberdrang? Nein, unmöglich. Margus war zehn Meilen entfernt. Bloß der Schrei eines Reihers drüben am Fluss, der in der Finsternis kaum noch zu erkennen war.
    Er wandte sich zur Seite, um das Wort an Tatullus zu richten, und erstarrte im selben Augenblick.
    Dumpfer Trommelschlag war zu vernehmen.
    * * *
    Vom Nordwestturm her drangen Stimmen herüber. Die Männer dort drängten sich dicht an dicht, um sich irgendetwas anzusehen. Sabinus eilte hinüber.
    Die Armbogenschützen und Artilleristen traten beiseite, um ihn und Tatullus, der ihm dichtauf folgte, durchzulassen. Im Mittelpunkt des Interesses stand kein anderer als der ungeschlachte Hüne Faustriemen, der seine bärenstarken Unterarme und riesigen Fäuste inzwischen eng mit Lederriemen umwickelt hatte, die mit todbringenden Bronzedornen besetzt waren. Dazu trug er eine unförmige Keule, einem vorsintflutlichen Herkules nicht unähnlich.
    «Wo ist dein Spieß abgeblieben, Rekrut?», fuhr Sabinus ihn streng an.
    «Unten, Herr. Ich hab ein Auge drauf, keine Sorge. Aber mir ist meine letzte Keule in Margus abhandengekommen, deshalb hab ich mir eine neue gemacht. Im Nahkampf hab ich mit Keulen nur gute Erfahrungen gemacht, Herr. Eine Keule rostet nicht und verhakt sich nicht in der Scheide, kann nicht abbrechen oder im Gedärm des Gegners stecken bleiben. Man kann sich in jeder Lage drauf verlassen. Nur immer schön festhalten, das gute Stück, dann kann einem nichts passieren. Wenn im Kampfgetümmel so richtig die Fetzen fliegen, Herr, schwöre ich auf Keulen, jederzeit.»
    Faustriemens Keule wies eine weitere Besonderheit auf: Er hatte das Ende von einem der Schmiede mit einem dicken Klumpen Blei verstärken lassen. Die meisten Männer hätten das Ungetüm wohl kaum zu heben vermocht.
    «Einmal, Herr, musste ich eine klapprige Mähre von ihrem Leiden erlösen, und meine gute alte Keule hat das mit einem Schlag erledigt.»
    Sabinus glaubte es ihm sofort.
    Ein Flackern fiel ihm ins Auge. Er blickte zum Fluss hinüber, dort stimmte etwas nicht. Das Gewässer schien in Flammen zu stehen.
    Von ferne drang unverändert der Klang von Trommeln herüber. Tief und dumpf dröhnende Barbarentrommeln.
    Die Nacht erglühte, ein rot flammendes Maul öffnete sich im Dunkel: der lang gezogene Widerschein von Flammen, der über die Oberfläche des träge dahinströmenden Flusses leckte. Dann kam ein Schiff aus dem Nebeldunst geglitten.
    Eine lichterloh brennende Galeere. Eine Galeere der Donauflotte, augenscheinlich vom Feind erbeutet, wusste der Himmel, wo. Wie ein Geisterschiff, das bis in alle Ewigkeit dazu verdammt war, unbemannt durch die Finsternis zu segeln, kam sie den Strom hinabgeglitten. Vollkommen lautlos, vom

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