Attila - Die Welt in Flammen
Knistern der Flammen und dem Krachen der funkensprühend einstürzenden Aufbauten einmal abgesehen. Doch es befanden sich sehr wohl Menschen an Bord. Aufgeknüpft an den Masten und Rahen, erdrosselt, obszön baumelnd, als würden sie noch im Tod zwischen den Flammen zappeln, die bis an ihre Fußsohlen leckten, hingen die nackten Leichen massakrierter Soldaten. Die Toten waren auf dem ganzen Schiff verteilt wie ein grausiger Festschmuck. Flammen schlugen aus ihren gekreuzigten Gliedmaßen, Haare brannten lichterloh. Als das Schiff an der Nordmauer des Kastells vorüberglitt, konnten sie die Blasen schlagende Haut der Opfer sehen, ihre in der Glut zerschmelzenden Gesichter.
Sabinus suchte Halt an der Mauerbrüstung.
«Bei den Zähnen Gottes», brummte Faustriemen, «das wäre auch ein prima Spektakel in der Arena.»
Tatullus hatte blitzschnell seinen Weinstock zur Hand und versetzte Faustriemen einen Schlag auf den Hinterkopf, der jedem anderen den Schädel gebrochen hätte. Faustriemen keuchte auf, verdrehte die Augen, bis nur noch das Weiße zu sehen war, strauchelte und taumelte, x-beiniger denn je, ein paar Schritte und ließ sich dann gegen eine der niedrigen Mauerzinnen sacken. Am ganzen Leib zitternd und mit kaltem Schweiß bedeckt rang er mühsam um Atem, bis der Schmerz langsam nachließ und er wieder etwas zu sehen vermochte.
Tatullus wurde niemals laut. Dieser eiskalte Zenturio hatte etwas an sich, das sogar Sabinus Angst einjagte. «Es waren deine Kameraden, Soldat, die du da unten siehst, gefoltert und gekreuzigt. Erweise ihnen den gebührenden Respekt.»
Faustriemen, der sich weiter an die Zinne klammerte wie ein Ertrinkender an einen Felsbrocken inmitten von Stromschnellen, kreidebleich und von heftiger Übelkeit befallen, gelang ein langsames Kopfnicken. «Herr.»
Von den übrigen Mauern kamen weitere Soldaten herbeigelaufen, um fassungslos das grausige Spektakel zu betrachten. Viele legten einander die Arme um die Schultern, während das Schiff mit den Gefolterten vorüberglitt. Vier standen in einer Reihe beisammen, stumme Zeugen des Grauens, Gladiatoren gleich, die vor dem tödlichen Kampf ihre Kameradschaft beschwören. Zwei Brüder, ihr Vater und ihr Onkel. Leute hier aus der Gegend, Teilzeitbauern – die Siebte in all ihrer Pracht. Bald müssten sie um ihr Leben kämpfen.
Wieder krachte auf dem Schiff eine Spiere polternd und funkensprühend aufs Deck hinab, ein brennender Balken löste sich und erlosch mit einem Zischen im Wasser. Auch dieses Geräusch drang nur gedämpft durch den nächtlichen Nebel.
Jetzt würden sie endlich auf die Probe gestellt, über alles Erträgliche hinaus womöglich. Sie würden für sich selbst kämpfen und füreinander, für ihre Familien und für ihre Gehöfte. Rom oder Konstantinopel, diese fernen Städte, hatten sie selbst nie gesehen. Der Kaiser war weit weg, das Reich eher eine Art Idee. Heute würden sie einzig ums nackte Überleben kämpfen. Ohne Verstärkung.
Sie blickten dem nach Osten davontreibenden Schiff hinterher, bis der Flammenschein nur noch in der Finsternis glomm. Die Männer malten sich aus, wie es schließlich als qualmendes, inzwischen völlig verkohltes Wrack durch die düstere Klamm am Eisernen Tor trieb, wo es in den schäumenden Stromschnellen endgültig zerschellen würde. Am Ufer bei Ratiaria würden pechschwarz verkohlte Balkentrümmer und Spiere angespült werden. Schwarz verrußte Knochen.
Das Getrommel fern im Westen verstummte.
Als Sabinus an den vier Männern vorbeiging, wandte sich der Älteste zu ihm um. «Sind wir verloren?»
Der Legat blieb stehen. Dann legte er dem Mann die Hand auf die Schulter, eine beispiellos vertrauliche Geste.
«Nein, guter Mann», sagte er sanft, «auf keinen Fall. Noch nie ist ein römisches Kastell von einem Barbarenheer erobert worden. Noch nie seit sieben Jahrhunderten.»
«Jetzt wieder zurück auf eure Posten, Leute», mahnte Tatullus hinter ihm. «Sturm zieht auf.»
Da kam ein Soldat angerannt, schweißüberströmt, wie im Fackelschein zu erkennen war.
«Herr! Ein Mann unten vor dem Westtor. Er kommt als Unterhändler, glaube ich.»
Schnell liefen sie auf die erste Ebene hinunter und an den Zinnen entlang zum Westtor. Vom Turm aus blickte Sabinus nach unten.
Vor den mächtig aufragenden Mauern Viminaciums saß ein einzelner Mann auf einem staubigen braunscheckigen Pony. Eine schmückende Brustplatte aus dünnen Knochen zierte seinen bloßen Oberkörper, und außer einem eng
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