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Attila - Die Welt in Flammen

Attila - Die Welt in Flammen

Titel: Attila - Die Welt in Flammen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Napier
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mein Diener.» Attila lächelte. «Das weiß er bloß nicht.» Er trank einen tiefen Schluck Kumyss.
    «Du solltest schlafen», sagte Orestes. Er war die ganze Nacht wach geblieben und hatte geredet, noch wie berauscht von dem blutigen Gemetzel in Margus.
    Attila beachtete ihn nicht. Orestes legte ihm die Hand auf die Schulter, eine Geste, die sich niemand sonst hätte erlauben dürfen. Attila schüttelte ihn unwillig ab.
    Schließlich sagte er: «Was für Träume ich dieser Tage nachts habe. Ihr könnt es euch nicht vorstellen. Was für Träume …»
    «Was für Träume», wiederholte Kleiner Vogel aus dem Hintergrund des Zeltes und schüttelte bekümmert den Kopf.
    Orestes wusste nicht, ob es gute oder schlimme Träume waren, ob sein Freund in tiefer, kalter Nacht mit freudigem Herzklopfen aus Träumen von der Eroberung der Welt erwachte oder ganz andere Gesichte ihn zitternd aufschrecken ließen.
    «Ich schlafe nicht», sagte Attila. «Ich finde keinen Schlaf.»
    Zwei weitere Krieger traten ins Zelt, Aladar, der Sohn Chanats, und einer der Kutrigurischen Hunnen.
    «Ein Weiterer der Auserwählten ist tot», sagte Aladar.
    Der Kutrigure nickte. «Es hat den edlen Bela getroffen. Ich sah, wie er ins Wasser stürzte. Einer der Römer, ein grobschlächtiger Hüne, hat sich auf ihn geworfen, ihn von der Brücke gezerrt und dann ertränkt.»
    Attila sah den Boten ausdruckslos an. Erst der eifrige Yesukai, dem es bestimmt war, jung zu sterben. Jetzt Bela, einer der drei standhaften Brüder.
    Der König sagte nichts, gab keinen Laut von sich, sondern schmetterte in einer jähen, heftigen Bewegung seinen Holzbecher zu Boden. Kleiner Vogel wimmerte. Niemand wagte es, sich nur zu rühren.
    «Sein Leichnam?»
    «Wurde nicht gefunden.»
    Attila blickte auf dem Boden voll verschüttetem Kumyss umher, halblaut vor sich hinmurmelnd. «Ertrunken. Was für ein Ende für meinen Krieger Bela.»
    Bela mit dem Stiernacken und dem Leib eines Ochsen. Der starke und schweigsame, geistig schlichte, unerschütterliche Bela. Treu bis in den Tod, wie alle seine Auserwählten.
    «Seine Brüder werden ihn rächen, Herr», versicherte Chanat.
    «Das bezweifle ich nicht», knurrte Attila.
    Aladar atmete tief durch. «Und Candac weilt ebenfalls nicht mehr in unserer Mitte.»
    Der kluge, vorsichtige, rundgesichtige Candac.
    «Dann findet ihn. Findet seinen Leichnam. Er wird ein angemessenes und ehrenhaftes –»
    «Nein, Großer Tanjou. Er ist fortgeritten. Ich habe es selbst gesehen.»
    Unbändiger Zorn verzerrte Attilas Züge. Zwei grimmige Falten gruben sich zwischen seine Brauen, die Stirn furchte sich tief und unheilvoll. Drei alte, parallel verlaufende Narben, fein und weiß, waren eben noch sichtbar: sein Verrätermal. Seine Stimme klang leise und sanft, immer ein böses Zeichen.
    «Er kann mich nicht verlassen haben», sagte er. «Nicht mein Candac, nicht mein Auserwählter. Niemals würde er mich so verraten.»
    «Ich habe ihn auch fortreiten sehen, mein Gebieter», sagte Kleiner Vogel heftig nickend. «Er ist nach Norden davongeritten, ohne ein einziges Wort, und in der Wildnis verschwunden.»
    Attilas Verwirrung entlud sich in roher Gewalt.
    Kleiner Vogel schrie gellend auf und verzog sich eilig in die dunkelste Ecke des Zeltes, wo er niederkauerte und sich die Arme um den Kopf schlang wie ein Äffchen.
    Orestes duckte sich, denn der König hatte inzwischen einen Holzschemel ergriffen, den er nun in seiner Wut an dem Zeltpfosten in Stücke schlug. Er packte ihn am Arm. Ein großer Mann wie er durfte sich nicht so gehen lassen. Unvermittelt hielt Attila in seiner Raserei inne und sah Orestes an, als würde er ihn nicht erkennen. Sein Blick war der eines Wahnsinnigen. Orestes hielt ihm ruhig stand. Nach und nach beruhigte sich Attila wieder, ließ die traurigen Überreste des Schemels zu Boden fallen und wandte sich ab.
    «Erklärt es mir», sagte er schließlich. Seine Schultern schienen nach unten zu sacken. «Erklärt mir, warum mein Auserwählter, mein geliebter Candac, mich verlassen hat.»
    «Herr», sagte Aladar ernst. «Das kann ich nicht. Außer, dass …»
    «Ich habe ihn sprechen hören», meldete sich Chanat zu Wort.
    Attila wandte sich zu ihm um.
    Der alte Krieger sah seinen König mit ernster Miene an. «Ich habe gesehen, wie er sich auf dem Schlachtfeld von Margus umgesehen und die Berge von Leichen dort betrachtet hat, und auch die Taten der Kutrigurischen Hunnen, unserer Waffenbrüder: wie sie Menschen skalpierten, die

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