Attila - Die Welt in Flammen
Erschlagenen schändeten, ihren üblichen Vergnügungen frönten.»
Der kutrigurische Krieger, der die Kunde von Belas Tod überbracht hatte, verharrte teilnahmslos am Zelteingang.
«Terror ist eine gute Waffe», sagte Attila. «Und sehr billig.»
Chanat widersprach seinem König nicht. «Unsere Waffenbrüder», wiederholte er bitter. «Unsere Kameraden, die bei der großartigen, ruhmreichen Eroberung dieses mächtigen Römischen Reiches mit uns reiten. Ich habe gesehen, wie Candac inmitten der Flammen stand, und ich sah, wie er seinen Bogen aus der Hand fallen ließ und nicht wieder aufhob. Er hat sie bei ihrem Treiben beobachtet, die Kutriguren, bei ihren exotischen Taten und Vergewaltigungen, an denen ihr Häuptling, Himmel-in-Fetzen persönlich, sich eifrig beteiligte. Und ich hörte den edlen Candac sagen – zu mir, vermute ich, obwohl er sich nicht umwandte –, ich hörte ihn sagen: ‹Das ist nicht der Schatz, für den ich gekämpft habe.›»
Kurz blieb es still. Dann: «Warum hast du mir das nicht schon eher erzählt?»
«Weil du es noch nicht hättest hören wollen.»
Der alte Chanat.
«Ach», murmelte Attila. Nur diese einzige, traurige Silbe. Mehr gab es nicht zu sagen.
Bald darauf erhoben sich seine Krieger und zogen sich aus dem Zelt zurück. Selbst Orestes folgte ihnen hinaus, um ihren Herrn seinen Träumen zu überlassen.
Stolze Naturen bereiten sich selbst die traurigsten Kümmernisse.
* * *
Orestes suchte nach Kleiner Vogel, doch er war nirgends zu finden. Wie Candac hatte er Zuflucht in der Wildnis gesucht, aber nicht für immer, nur für eine Weile. Er würde seinen Gebieter niemals verlassen, komme, was da wolle. Er würde immer an seiner Seite bleiben, in jedem Sturm und bis an die Tore der Hölle, und dabei munter seine Scherze reißen.
* * *
Im Süden, oben in den Hügeln, auf einem Felsvorsprung aus hellem, mondbeschienenem Kalkstein und mit Blick auf die schwelenden Überreste von Margus, saß mit untergeschlagenen Beinen inmitten der gelben Felsrosen ein sonderbares Geschöpf mit Bändern im Haar. Es trug eine Halskette aus den Schädeln von Vögeln und anderem kleinen Getier, und sein zerlumptes Hirschlederwams war mit schwarzen Strichmännchen bemalt.
Eine zufällig des Wegs kommende junge Schäferin, die allein auf der Flucht nach Süden war, stieß bei seinem Anblick vor Schreck einen Schrei aus, aber er rührte sich nicht, bekam gar nichts davon mit. Sie lief schnell weiter.
Trotz seines Alters hatte sein Gesicht mit den breiten, fiebrig geröteten Wangen noch immer etwas Kindliches. Vor ihm brannte ein kleines Feuer aus Stöckchen und Zweigen, und er warf seltsame Saatkörner hinein und beugte sich vor, um den Rauch einzuatmen.
Sein Blick war in die Ferne gerichtet, weit jenseits der zerstörten Stadt. Er sah kreisende Sterne und Freudenfeuer und schwarze Nacht, und er bekam Angst. Er wiegte sich vor und zurück und fuchtelte mit den Händen vor sich in der Luft herum. Er sah, wie sein edler Gebieter, der Große Tanjou, der Khan aller Khane, der Große Witwenmacher, die schwarze Nacht vom Himmel herunterzog und über die Welt breitete wie ein Zelt, das alles zudecken und ersticken würde. Nicht nur das verhasste Römische Reich, auch das Volk der Hunnen würde darunter gefangen werden und unter diesem finsteren Himmel, der schwer war von Hass, ersticken und zugrunde gehen. Er wimmerte. Dann verdrehte sich das Zelt der Welt auf einmal und verwandelte sich in ein Ungeheuer, gefügt aus blutroten Flammen und schwarzer Nacht. Es würde sich gegen sie wenden und sie am Ende alle verschlingen.
6. DAS SCHIFF DER MARTERN
S abinus gönnte sich schließlich doch einen Becher Wein. In einer Nacht wie dieser würde ihm der Rebensaft schon nicht schaden. Vielleicht würde er wenigstens seine Nerven beruhigen.
Er hatte schwitzige Hände. Er gab sich alle Mühe, ruhig und gleichmäßig zu atmen.
Ringsum auf den Festungsmauern konnte er die bleichen, angespannten Gesichter seiner Männer sehen. Unten im Hof waren die unruhigen Kavalleriepferde angebunden, die Reitersoldaten hatten sich um kleine Lagerfeuer herum auf dem staubigen Boden niedergelassen, die Helme auf ihren Schößen. Niemand sprach.
Sie beteten, dass es bald losgehen würde.
Manche gaben sich bereits der Wunschvorstellung hin, das Geräusch fernen Hufschlags und das Dröhnen von Trommeln zu hören. Gefolgt von dem erlösenden Ausruf von den Türmen am Südtor her, die die Straße nach Ratiaria und
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