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Attila - Die Welt in Flammen

Attila - Die Welt in Flammen

Titel: Attila - Die Welt in Flammen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Napier
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alles, was noch nicht verbrannt war. Selbst auf dem Friedhof vor den Mauern der Stadt hielten sie sich schadlos und plünderten die Kapelle aus. Sie zertrümmerten ein prächtiges Grabmal und stemmten den Bleisarkophag im Inneren auf, um den herrlichen golddurchwirkten Stoff zu rauben, in den der Tote eingehüllt war. Den schon stark verwesten Leichnam, die sterblichen Überreste eines jungen Mannes, ließen sie halb aus dem geschändeten Sarkophag hängen. Ein schauerlicher Anblick. Überall auf dem Friedhof lagen Tote herum, die aus ihren Gräbern gerissen worden waren, ein Bild, als wären die Toten lebendig geworden. Als wären sie in der Nacht erwacht, um sich halbverwest im Mondschein noch einmal zu Tode zu tanzen und dann erneut zu Boden zu sinken.
    Dann setzte wieder dumpfes, eintöniges Kriegsgetrommel ein. Es schien direkt aus dem Herzen der Zerstörung aufzusteigen. Die Hexe Enkhtuya saß mit untergeschlagenen Beinen irgendwo draußen in der Finsternis, hieb mit einem Knochen auf eine Trommel ein und murmelte dabei unentwegt eine düstere Beschwörung vor sich hin.
     
    Das scharlachrote Netz des Krieges webt,
    Lasst weh’n die Banner blutig rot,
    Besinnt euch, wie ihr einst gelebt,
    Des Menschen Los ist Kampf und Tod.
     
    Schrecken überzieht die Lande jetzt,
    Blutschwaden löschen aus der Sonne Schein,
    Webt, ihr Schwestern, webt des Todes Netz,
    Nun ist’s vollbracht – ihr Schwestern, haltet ein.
     
    Sabinus ordnete an, dass sich die Standartenträger melden sollten. Dann nickte er seinem Optio zu und begab sich mit ihm zur
Principia
, dem Stabsgebäude, in dem er residierte, um seine Rüstung anzulegen und sich ein letztes Mal dort umzusehen.
    Ein letztes Mal. Die Worte hallten in seinem Kopf wider, doch er zog es vor, sie nicht eingehender zu überdenken.
    Geschwind schritten sie durch den kleinen, doch von eleganten Säulengängen umgebenen Innenhof, ins Atrium und vorbei am Triclinium. Seltsam, die bequemen Polsterliegen dort noch stehen zu sehen, wie in Erwartung des nächsten bescheidenen Gastmahls mit hiesigen Würdenträgern. Doch die Unterkunft des Legaten befand sich nicht mehr in allerbestem Zustand. Stare hatten sich unter dem Dachgesims eingenistet, die feuchten Kellergewölbe waren besiedelt von Fröschen. Soldatisches Pflichtgefühl sorgte dafür, dass in den Räumen stets penible Ordnung und Sauberkeit herrschten, die allgemeine Verwahrlosung jedoch war nicht zu übersehen. Kostbar gekleidete Angehörige der Oberschicht kamen heutzutage nicht mehr zum Abendessen, weil sie in den Grenzstädten kaum noch anzutreffen waren. Fast alle waren sie in den Süden umgesiedelt, ins Umland von Konstantinopel, um dort mitsamt ihren Familien in den Genuss herrscherlicher Patronage und damit einhergehender Reichtümer zu kommen. Senatorenfamilien träumten von kaiserlichen Schenkungen und Sinekuren, während sie sich in ihren Prachtvillen in Naissus, Marcianopolis, Adrianopel oder der goldschimmernden Hauptstadt selbst einem sorg- und ahnungslosen Wohlleben hingaben. Das provinzielle Pflichtbewusstsein von einst war dahin. Steuern, so witzelte man in diesen Kreisen gern, zahlten nur noch die Armen. In der Tat. Und die fatalen Auswirkungen dieser Entwicklung machten sich an allen Ecken und Enden bemerkbar. Für ihre Selbstsucht aber würden die Reichen über kurz oder lang einen Preis bezahlen müssen. In einer Währung, so rot wie Blut.
    Wie hatte Tatullus es ausgedrückt? «Sturm zieht auf.»

7. DIE TÜRME
    N achdem ihm der Optio die Rüstung angelegt hatte, nahm Sabinus seinen prächtigen Helm mit dem nickenden Federbusch und begab sich sodann mit seinen Standartenträgern ins Fahnenheiligtum, wo in einem Schrein die Adler- und die Stierstandarte der Legion sowie die niederen Feldzeichen der einzelnen Zenturien aufbewahrt wurden. Hier befand sich auch, genau unterhalb des Schreins, der Tresorraum des Kastells, vollgestapelt mit gestempelten Goldbarren aus den Minen des Mons Aureus.
    Der Standartenträger einer Zenturie zitterte so sehr, dass er das Feldzeichen, als Sabinus es ihm aushändigte, um ein Haar hätte fallen lassen. Er war kaum älter als sechzehn oder siebzehn, ein richtiger Milchbart noch. «Halte es ruhig, Junge», ermahnte Sabinus ihn ernst, aber nicht unfreundlich. «Ja, wir sind abgeschnitten. Ja, es sind sehr viele. Aber das hier ist immer noch ein Kastell, das seit vierhundert Jahren gegen Barbaren aller Art, ebenso widerwärtig wie diese hier, standgehalten hat.» Er

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