Auch Frauen wollen nur das eine
darstellten – seien es nun das patriarchalische Establishment oder der dogmatische Feminismus. Beide Einflüsse wollten uns klar machen, dass wir uns zu benehmen haben und uns anpassen müssen, wenn wir Respekt einfordern. Wie, um alles in der Welt, sollten wir dann mit dem Dilemma der Lust umgehen?
Plötzlich, aus den Vororten Londons, haute eine neue Jugendkultur das ganze Land aus den Disko-Socken. Die Punk-Szene war über uns gekommen, durchsetzt von einer neuen Art von kratzbürstigen Frauen. Beim Brechen der Regeln und dem Aufstand gegen das Establishment stand der Spaßfaktor im Mittelpunkt. Ein Ausdruck des Trotzes, der seinesgleichen sucht; Wut war der Antrieb, und das Leben war mit einem Mal richtig aufregend. Die Frauen der Punk-Szene, wie Siouxsie Sioux von Siouxsie and the Banshees und Poly Styrene von X-Ray Spex, entsprachen nicht den männlichen Erwartungen. Sie waren stachlig und stark und Furcht einflößend und einfach toll. Zum ersten Mal lieferte uns die Popkultur Frauen, die sich nach ihrem eigenen Bild erschufen – Frauen, die sich nicht länger sagen ließen, sich schön zu machen und nette Songs zu singen; Frauen, die nicht die Absicht hatten, Rock-Götter in Stadien zu verehren. Punk eignete sich die Kleidung des Sexgewerbes und der Fetischisten an: Netzstrumpfhosen, Gummi und Plastik und übertriebenes Make-up; doch die Punkerinnen trugen all das mit einem höhnischen Grinsen zur Schau, nicht mit einer Haltung der Unterwürfigkeit. Punkbands mit provokanten Namen entstanden, wie The Slits; der Feminismus bekam einen gehörigen Tritt in den Arsch. Jetzt war wieder Biss und Humor in der Popkultur. Markenzeichen waren große Stiefel und Lederjacken.
Die Rebellion war schön, aber kurzlebig. Binnen drei Jahren hatte Großbritannien den Thatcherismus und ihre »Gier ist gut«-Doktrin. Ein außer Kontrolle geratener Kapitalismus eignete sich rasch das bad-girl -/starke-Frau-Image an, und die Gesellschaft war nicht mehr wie sonst. In den folgenden zehn Jahren erhielt die weibliche Sexualität zwar eine Stimme, aber sie war in zunehmendem Maße gekettet an eine Besessenheit von Macht und Erfolg. Wollte man ein aktives, befriedigendes Sexleben, musste man sich anstrengen, so zu sein wie Alexis Colby aus dem Denver Clan (OT: Dynasty ). Jetzt konnten wir in eine Glamour-Welt eintauchen, in der Lover begehrt, verschlungen und wieder ausgespien wurden, und in der Frauen glamourös, aufregend und, vor allem, rücksichtslos waren. Die Blockbuster-Romane für Frauen – von Jilly Cooper und Jackie Collins – wurden zu Orten, an denen »Frauenangelegenheiten« die Erzählung bestimmten. Und die Leserschaft war groß; die Theoretikerin Avis Lewallan untersuchte die Popularität von Shirley Conrans Lace (1982) und bezeichnete sie als »eine Mini-Enzyklopädie der weiblichen Sexualität«. Denn darin ging es um »den Verlust der Jungfräulichkeit, sexuelle Begierden, sexuelle Befriedigung und Frigidität, um Prostitution, Vergewaltigung, Ehebruch, Lesben, Transvestiten. Außerdem kommen Themen wie Pornografie, Alkoholismus, Schönheits-OPs, Geburt, Fehlgeburt und Abtreibung vor.« Lewallan 1 gab ihrem Essay den Titel: Lace, Pornography for Women? , wobei der negative Ton des Begriffs »Pornografie« nicht Lewallans Analyse des Buchs entspricht. Es sollte vielmehr Bezug nehmen auf den Argwohn, mit dem viele traditionelle Feministinnen den populären Frauenromanen begegneten.
Durch Romane wie Lace , so schätzte Lewallen, sei es dem Feminismus gelungen, sich in bescheidenem Maße in den Massenmarkt einzubringen, aus dem einfachen Grund, weil Frauen dargestellt wurden, die nach der eigenen finanziellen Unabhängigkeit streben. »Männer und Sex und Liebe [waren] wichtig für die weiblichen Charaktere, aber Geld – ihr eigenes Geld – [war] noch wichtiger.« 2 In diesen »Bonkbusters« [dt. Bumsbustern], wie man sie bald nannte, ging es vornehmlich um den materiellen Gewinn als Weg zum Glück; man konnte keinen Sex haben, ohne nebenbei viel shoppen zu gehen. Wenn die Heldin zu Beginn als »gewöhnlich« eingeführt wurde, so wurde sie am Ende zur Millionärin. Ihr Glück wurde daran gemessen, wie weit sie es auf der rutschigen Erfolgsleiter nach oben schaffte; Sex wurde das Vehikel für persönliche Errungenschaften. Es gab verbotenen Sex in Sitzungssälen, bei Landhauspartys und politischen Begebenheiten. Und nur die Fittesten überlebten. In den 80ern wurde Sex zur Handelsware, zur Währung, mit der man
Weitere Kostenlose Bücher