Auch Frauen wollen nur das eine
Kategorie »Hardcore« gehört. In vielen der Geschichten, die in diesem Buch abgedruckt sind, kommen bekannte Archetypen aus historischen oder romantischen Frauenromanen vor, aber nun wird die Lautstärke aufgedreht. In den ersten Veröffentlichungen tauchten mehr als nur ein Mr Rochester und Mr Darcy auf, doch diese Inkarnationen waren düsterer und offensichtlich viel sexueller. Alle ersten Black-Lace-Romane waren in gewisser Hinsicht erotisch aufgeladen mit Themen wie Dominanz und Unterwerfung. Die Storys waren nicht frech und ungezogen – sie waren grell und reißerisch und verdorben, was in der reaktionären Presse Entsetzen hervorrief. Frauen waren nicht in der Lage, derartige Dinge erregend zu finden, oder?
Feministinnen waren in diesem Punkt geteilter Ansicht. Akademische Veröffentlichungen und hitzige Debatten folgten, mit der Frage, inwieweit ein echtes weibliches Verlangen innerhalb eines patriarchalischen Rahmens entstehen kann. Das Thema tauchte in zahlreichen Talkshows und Dokumentationen auf und wurde untersucht auf den Inhalt und die redaktionelle Linie. Meine Autorinnen wurden von Anti-Sex-Feministinnen beschuldigt, verräterisch zu sein und Figuren mit gefährlichen Begierden zu erschaffen. Sie hatten es gewagt, einem hyperrealen, instrumentalisierten Konstrukt der Maskulinität nachzuhängen. Und dadurch hätten sie bewiesen, genauso »schlecht wie die Männer zu sein«. Jene »gefährlichen Begierden« berührten eine Saite bei Tausenden von Lesern, und allmählich stieß die Vorstellung von weiblichen Erotika auf mehr Wohlwollen, sobald nämlich klar war, wie populär und kommerziell erfolgreich das Projekt wurde.
Erotika von Frauen erhielten Unterstützung von den gebildeten Aktivisten, die die Interessengruppe »Feministinnen gegen Zensur« bildeten. Die Gründerin, Avedon Carol, erläuterte in ihrem Buch Bad Girls and Dirty Pictures das Paradoxon, in dem sich »pro-Porno-Feministinnen« wiederfanden: »Sex zum Vergnügen wird als männliche Sünde gewertet, und Frauen, die Sex mögen und ihre Sexualität offen zum Ausdruck bringen, gelten als Opfer der männlichen Propaganda. Wenn wir zugeben, dass es uns Vergnügen bereitet, Sexualität außerhalb einer liebevollen, gleichberechtigten Beziehung oder unkonventionellen Konstellationen zu erleben, sagt man Frauen nach, sie würden männliche Gewalt legitimieren, anstatt entschieden aufzutreten … Indem wir explizite Dinge schreiben oder lesen oder nach dem eigenen Vergnügen suchen, begehen wir die größte aller weiblichen Sünden: Selbstsucht.« 3
Das fasst in meinen Augen die ganze Angelegenheit zusammen. Es schließt sich nicht gegenseitig aus, Feministin zu sein und Erotika zu genießen. Ich war immer schon der Auffassung, dass es eine Facette von vielen ist, wenn Frauen sexuell denken; deswegen brauchen wir noch lange nicht unsere Rechte als Frauen, Arbeitnehmer oder Bürger zu opfern, nur weil wir manchmal in uns selbst schwelgen. Die meisten der Pro-Sex-Feministinnen, mit denen ich in jener Zeit sprach, stammten aus Amerika. Viele kamen aus der Schwulen- und Lesben-Bewegung der Westküste und hatten schon vor Jahren über die sogenannten Tabu-Themen diskutiert. Die Amerikaner zeigten uns nach wie vor, wo es langging. War es den britischen Frauen denn nie gestattet, offen über Sex und Lust zu sprechen, ohne dafür streng gerügt zu werden? Mussten wir denn immer Leisetreter sein?
Gegen Ende der 90er kam es zu einer Art Revolte im Stil; zu einem der kulturellen Paradigmenwechsel, der sich etwa alle zwanzig Jahre ereignet. Die Leute waren der grauen Männer und grauen Ideen überdrüssig. Seit mehr als achtzehn Jahren regierte dieselbe Partei unser Land, und die Menschen wollten den Wandel. Ein Schaf in Formaldehyd löste die neue Brit-Art-Bewegung aus; in der Musik, der Buchbranche und der Technologie brach neuer Optimismus durch; die britische Gangart hatte wieder neuen Schwung. Trotz all der politischen Diskurse der letzten zwanzig Jahre an den Universitäten landauf, landab waren es Bands wie Pulp und Fernsehshows wie Brass Eye , die den gesellschaftlichen Wandel wirklichkeitsnäher einleiteten als alle akademischen Theorien. Schlussendlich konnten wir unsere Ironie und Widersprüchlichkeiten erkennen. Liberale Einstellungen in Bezug auf Sex kamen wieder auf die Tagesordnung, auch wenn diese Einstellungen am lautesten von dem »neuen Jungen« und seinem Klüngel aus koksenden Kumpeln und den respektlosen Magazinen gerufen
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