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Auch Geister haben huebsche Soehne

Titel: Auch Geister haben huebsche Soehne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meg Cabot
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Mühe gar nicht erst gemacht.«
    »Entschuldigung!« Ich setzte mich vollends auf. »Das hier ist mein Zimmer. Ich kann Besucher aus dem Jenseits so behandeln, wie es mir passt, okay?«
    »Susannah.«
    Er hatte die sanfteste Stimme, die ich je gehört hatte. Noch sanfter als die von diesem Tad. Wie Seide. Es war echt schwer, fies zu jemandem zu sein, der so eine Stimme hatte.
    Aber ich musste fies sein. Denn im Mondschein konnte ich seine breiten, starken Schultern viel zu gut ausmachen, den aufklaffenden V-Ausschnitt seines altmodischen Hemdes, aus dem olivfarbene Haut und ein bisschen Brusthaar herausblitzten, und die so ziemlich bestdurchtrainierten Brustmuskeln der Welt. Ich sah auch seine markanten Gesichtszüge und die winzige Narbe über der einen Augenbraue, wo etwas – oder jemand – ihn mal verletzt haben musste.
    Kelly Prescott hatte keine Ahnung. Bryce Martinson war nicht der heißeste Typ von Carmel, sondern Jesse.
    Und wenn ich nicht daran festhielt, fies zu ihm zu sein, würde ich Gefahr laufen, mich in ihn zu verlieben.
    Was ein großes Problem beinhaltete: Jesse war nun mal tot.
    »Wenn du das machen willst, Susannah«, sagte er mit seiner Seidenstimme, »dann mach es nicht halbherzig.«
    »Hör zu, Jesse.« Meine Stimme war nicht mal ansatzweise samtweich, sondern hart wie Granit. Oder zumindest redete ich mir das ein. »Ich mache so was schon sehr lange und ich bin bislang prima ohne deine Hilfe klargekommen, okay?«
    »Sie war ganz offensichtlich völlig durcheinander, und du …«
    »Und was ist mit dir ?«, unterbrach ich ihn. »Ihr beiden lebt doch im selben Raum-Zeit-Kontinuum, wenn ich mich nicht irre. Wieso hast du sie nicht nach ihrer ID gefragt?«
    Er starrte mich verständnislos an. Aber bei Jesse sah selbst ein verständnisloser Gesichtsausdruck gut aus. Alles sah bei Jesse gut aus.
    »Nach ihrer Ei-… was?«, fragte er.
    Manchmal vergaß ich, dass Jesse rund hundertfünfzig Jahre zuvor gestorben war. Logisch, dass er den Slang des einundzwanzigsten Jahrhunderts nicht draufhatte.
    »Nach ihrem Namen«, übersetzte ich. »Warum hast du sie nicht gefragt, wie sie heißt?«
    Er schüttelte den Kopf. »So funktioniert das nicht.«
    Jesse machte ständig solche Bemerkungen. Kryptisches Zeug über die Geisterwelt, die ich als Nicht-Geist irgendwie verstehen sollte! Ehrlich, das machte mich fertig. Und dazu noch dieses Spanisch – ich konnte kein Wort Spanisch, aber er ließ immer mal wieder was Spanisches einfließen, vor allem wenn er wütend war. Kryptisch und Spanisch – das führte dazu, dass ich bestimmt ein Drittel der Zeit keine Ahnung hatte, was Jesse sagen wollte.
    Das war ziemlich nervig. Ich meine, reichte es nicht, dass ich mein Zimmer mit einem Typen teilen musste, der um 1850 herum just in diesem Zimmer erschossen oder sonst wie ermordet worden war, als das Haus noch eine Pension für Goldsucher und Cowboys gewesen war? Oder, in Jesses Fall, für die Söhne reicher Rancher, die ihre schönen, reichen Cousinen heiraten wollten, aber auf dem Weg zur Trauung tragischerweise umgebracht wurden?
    Zumindest war genau das Jesse passiert. Nicht dass er mir das selbst erzählt hätte. Nein, das hatte ich ganz allein – beziehungsweise mithilfe meines Stiefbruders Schweinchen Schlau – herausfinden müssen. Jesse redete nur extrem ungern über das Thema. Was ich merkwürdig fand, denn meiner Erfahrung nach war es eher so, dass Tote über nichts anderes reden wollten als darüber, wie sie über den Jordan gegangen waren.
    Jesse war da anders. Er redete immer nur darüber, dass ich als Mittlerin in seinen Augen eine Versagerin war.
    Vielleicht war da ja auch was dran. Ich meine, Pater Dominic sagte ja auch, dass ich als spiritueller Mittler zwischen dem Land der Lebenden und dem Land der Toten fungieren sollte. Aber meine aktuelle Wut bestand hauptsächlich darin, dass man mich nicht schlafen ließ.
    »Jesse«, sagte ich. »Ich möchte dieser Frau wirklich helfen. Nur nicht jetzt sofort, okay? Ich brauche erst mal etwas Schlaf. Ich bin völlig k. o.«
    »Ka-oh?«, wiederholte er.
    »Ja, k. o.« Manchmal vermutete ich, dass Jesse auch nur zwei Drittel von dem verstand, was ich sagte, selbst wenn ich keine Fremdsprachen einfließen ließ.
    »Erledigt. Fertig. Fix und alle. Erschöpft«, übersetzte ich.
    »Oh«, sagte er. Dann stand er nur da und schaute mich aus seinen dunklen, traurigen Augen an. Es gibt Typen, die haben Augen, die so unglaublich traurig sind, dass man am liebsten

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