Auch Geister haben huebsche Soehne
eine abgegriffene Tarotkarte gesteckt. Offenbar gehörte sie zu einem Anfänger-Set, denn unter dem Bild war eine Erklärung abgedruckt. Auf der Karte sah man einen alten Mann, der einen langen weißen Bart hatte und eine Laterne in der Hand hielt.
Der neunte Schlüssel, lautete die Unterschrift. Der Eremit, die neunte Karte im Tarotspiel. Er geleitet die Seelen der Toten an der Versuchung der Scheinfeuer am Wegesrand vorbei, damit sie auf direktem Wege ihr höheres Ziel erreichen können.
Gina hatte dem alten Mann eine Sprechblase dazugemalt: Hi, ich bin Suze, Eure spirituelle Führerin ins Leben nach dem Tod. Okay, und jetzt: Wer von Euch elenden Wichsern hat sich mein Lipgloss geschnappt?
»Sue?« Tads Stimme klang besorgt. »Sue, bist du noch dran?«
»Ja, ich bin noch dran«, sagte ich. »Wirklich schade, Tad. Ich werde dich vermissen.«
»Ja, ich dich auch«, sagte er. »Tut mir echt leid, dass du mich nie hast spielen sehen.«
»Hm-hm, wirklich jammerschade.«
Tad murmelte ein paar letzte Abschiedsworte mit seiner dümmlichen sexy Stimme, dann legte er auf. Ich tat dasselbe, wobei ich darauf achtete, nicht in Jesses Richtung zu schauen.
»Aha.« Er gab sich erst gar nicht die Mühe, so zu tun, als hätte er meine Unterhaltung nicht belauscht. »Du und Tad seid also auseinander?«
Ich starrte ihn an.
»Es geht dich zwar nichts an«, antwortete ich eisig, »aber ja, es sieht so aus, als würde Tad nach San Francisco ziehen.«
Jesse hatte nicht mal genug Anstand, sein Grinsen zu verbergen.
Doch statt mich über ihn aufzuregen, griff ich wieder nach der Tarotkarte, die Gina mir geschickt hatte. Komisch, aber ich meinte, es wäre genau die gleiche wie die, die Cee Cees Tante Pru immer umgedreht hatte, als wir bei ihr gewesen waren. Hatte ich das alles bewirkt? War alles meinetwegen geschehen?
Als Begleiterin der Seelen war ich aber eindeutig keine große Leuchte. Ich meine, das mit Schweinchen Schlaus Mom hatte ich ja wohl ziemlich in den Sand gesetzt.
Andererseits … Am Ende hatte ich die Sache doch wieder geradegebogen. Und ganz nebenbei hatte ich einem Mörder das Handwerk gelegt.
Vielleicht war ich im Mittler-Business doch nicht so schlecht wie gedacht.
Ich saß also auf meinem Bett und überlegte, was ich mit der Karte tun sollte – sie an meine Zimmertür pinnen? Oder würde das zu viele neugierige Fragen nach sich ziehen? Sie in mein Schließfach kleben? –, als es plötzlich an meine Tür klopfte.
»Herein«, sagte ich.
Die Tür ging auf und Hatschi erschien auf der Schwelle.
»Hey«, sagte er. »Das Abendessen ist fertig. Dad hat gesagt, du sollst runterko… Moment mal.«
Sein normalerweise dümmlicher Gesichtsausdruck veränderte sich und er strahlte eine Art böse Schadenfreude aus. »Ist das etwa eine Katze?«
Ich sah zu Spike hinüber. Und schluckte.
»Ähm … Ja. Aber hey, Hatschi … ich meine, Brad. Bitte hör zu … Sag deinem Vater nichts …«
»Du steckst«, sagte Hatschi genüsslich, »so was von dermaßen in Schwierigkeiten!«
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